radiohörer - der blog für radiofans
Sonntag, 10. August 2014
Das Streiflicht
©Sueddeutsche Zeitung Nr. 182
Früher nahmen wir Deutsche in den Italien-Urlaub neben Konservenbüchsen
vor allem drei Dinge mit: Pumpernickel, weil der Ausländer nun mal nichts vom
Brotbacken versteht, Bohnenkaffee – man sagte Bohnenkaffee, da der Kriegsgeneration noch der Ersatzkaffee ein traumatischer Erinnerung war und der Italiener einen mit seiner im Puppentässchen servierten „Expresso“-Brühe schon beim Frühstück übers Ohr hauen wollte. Und einen Taschenrechner, um die Lira gleich an Ort und Stelle in DM umzurechnen, man konnte ja nie wissen. So saß man dann da,
gewappnet gegen die Zumutungen der Fremde, auf dem Campingplatz bei Dosenravioli, Schwarzbrot und saurem Kaffee und gratulierte sich zu Weltläufigkeit und mediterraner Lebensart. Man wollte eben, dass alles so ist wie zu Hause, aber mit besserem Wetter. Denn auch wenn Südländer vom Brotbacken, Kaffeerösten und Rechnen keine Ahnung haben – wie man faul in der Sonne herum - liegt, damit kennen sie sich aus. Tagsüber ging also mit Italien so weit alles in Ordnung. Nur nachts, da betrogen sie einen dann eben doch mit ihren fipsigen Schaumstoffrollen und diesen von dünnen Bettlaken umhüllten Kratzdecken. Denn beim Thema Nachtruhe und Schlafkultur, da hatten wir Deutsche immer schon die Nase vorn, Weltmeister im Kissenstopfen. Ohne ein richtig schön schweres Federbett tun wir kein Auge zu. Und viele von uns brauchen nicht nur ein Kissen, sondern noch ein zweites, kleineres, das man in Norddeutschland Fritzchen nennt. Über die Herkunft dieses Namens wird viel spekuliert. Manche sagen, er ginge auf den Preußenkönig Friedrich den Großen zurück, erinnere doch ein anständiges deutsches Paradekissen mit seiner per Handkantenschlag erzeugten Falte an Friedrichs Dreispitz. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass das kleine Kissen in Kriegszeiten den abwesenden Mann vertrat, als Umarmungsersatz. Die Schauspielerin Christine Neubauer gestand einmal, ohne ihr Kissen fahre sie nicht in den Urlaub. Und damit liegt sie im Trend. Obwohl wir viele Vorurteile abgelegt haben und inzwischen Olivenöl nicht mehr für etwas halten, womit man den Dieselmotor abschmiert, hat eine repräsentative Umfrage ergeben, dass jeder vierte Deutsche im Urlaub sich heftig nach seinem eigenen Bettzeug von zu Hause sehnt. Noch schmerzlicher wird lediglich sperriges Kamerazubehör wie Stative, Blitzgeräte oder Teleobjektive vermisst. Erst an dritter Stelle werden Haustiere genannt, die oft aus Platzgründen zurückgelassen werden müssen. Was lernen wir daraus? Sich nach einem gezielten Handkantenschlag auf einer Kaltschaummatratze in Löffelchenstellung innig an das geliebte Teleskopstativ zu schmiegen – das kann uns Deutsche über manches hinweg trösten.
Sogar über den Urlaub.


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