radiohörer - der blog für radiofans
Sonntag, 29. Mai 2016
Harry Lachner: Identität und Maske
So wie die Stimme Wahrheit und Verstellung ist, wechseln die Sängerinnen dieser Sendung zwischen dem Rollenspiel und dem Moment des Authentischen: darunter Shelley Hirsch, Meredith Monk, Sainkho Namtchylak oder Greetje Bijma. Alle werfen sie in ihrer Musik mehr oder weniger explizit die Frage auf nach der Identität in der improvisierten Musik und in der Kunst generell.
Der Komponist Dieter Schnebel sprach einmal so knapp und treffend von der "Einheit von Geist und Fleisch, die in der Stimme tönt." Die Stimme - sie ist eben nicht nur Klang, sondern auch - und in erster Linie - Körper, ein komplexer und komplex repräsentierter Körper. Tatsächlich versammeln sich im tönenden Körper die Sprachen, Stile und sozialen Verhaltensweisen der Vergangenheit wie auch der Gegenwart: beständig neu überdacht und verwandelt. Manchmal sind es - wie bei Shelley Hirsch - Improvisationen, die sich entlang einer Erinnerungsbahn bewegen. Ein Bewusstseinsstrom, in dem Fragmente der eigenen Biographie in ein Spiel mit diversen Stilformen eingebunden werden. Andere Sängerinnen führen Techniken in den Jazz ein, die eine deutliche ethnische Prägung besitzen - wie Sainkho Namtchylak mit ihren Reminiszenzen an den Kehlkopfgesang der Turkvölker Sibiriens. Allesamt sind diese Sängerinnen Beispiele nicht nur für einen avancierten, sich den "Standards" verschließenden Ansatz in der vokalen Improvisation, sondern sie illustrieren sehr gelungen jenen Satz des Theoretikers Roland Barthes, der schrieb: "Die Stimme transportiert ein Bild des Körpers und darüber hinaus eine ganze Psychologie."
Identität und Maske


To prevent spam abuse referrers and backlinks are displayed using client-side JavaScript code. Thus, you should enable the option to execute JavaScript code in your browser. Otherwise you will only see this information.