radiohörer - der blog für radiofans
Montag, 8. September 2014
"Ohne Mozart?" von Christine Lemke-Matwey
© Die Zeit Nr. 19/2014
Reformen, Fusionen, Frequenzen: Die öffentlich-rechtlichen Radiomacher verspielen die Zukunft der klassischen Musik.

Fangen wir im Westen an, bei Tom Buhrow, dem Mann "mit dem Liftboy-Lächeln". 55, steile ARD-Karriere, Moderator der Tagesthemen und seit Juli 2013 Intendant des WDR. Buhrow ist Bob-Dylan-Fan, spielt E-Gitarre und hat dem WDR einen knallharten Sparkurs verordnet. Knallhart unterstützen soll ihn dabei ab 1. Mai Valerie Weber, seine neue Hörfunkdirektorin: 48, Privatradiokarriere, zuletzt Geschäftsführerin von Antenne Bayern (mit vier Millionen Hörern täglich die erfolgreichste deutsche Radiowelle). Weber wird sich mit der so fantasielos gemachten wie instinktlos vermittelten Reform des Klassik-gestützten Senders WDR3 von 2012 befassen müssen. Damals hagelte es Proteste. WDR3 hören täglich 1,8 Prozent der Bevölkerung in NRW, 290 000 Menschen. Das ist nicht toll, aber stabil.
Weiter südlich blickt die Kulturwelle SWR2 mit 2 Prozent Marktanteil zwar auf eine etwas bessere Quote, seit aber Peter Boudgoust, 59 und Jurist, in Stuttgart agiert, haben sich die Aussichten für die Kultur eklatant verschlechtert.
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"Klassik ohne Radio" von Christine Lemke-Matwey
© Die Zeit Nr. 27/2014
Die ARD-Rundfunkanstalten müssen sparen. Wo tun sie es zuerst? Bei der Kultur, klar. Oder ist das nur Einbildung, die alte Verschwörungstheorie? Auf Spurensuche zwischen dem Programmauftrag und der Massentauglichkeit eines geliebten Mediums im digitalen Zeitalter.
Um es vorauszuschicken: Ich liebe das Radio. Ich verdanke ihm meine Erweckung zur klassischen Musik und, über ein paar Ecken, auch meinen Beruf. Ich liebe das Radio, weil es so klug, schnell, lebendig und nah dran sein kann an der Kunst und am Leben wie kein zweites Medium. Ich liebe das Radio, weil es meine Augen schont. Ich liebe das Radio, weil es mir ein Stück Heimat bietet, fast ganz gleich wo. Kein Morgen ohne Radio, wenige Abende. Und ich liebe das Radio auch, weil es für mich, die ich gelegentlich für Rundfunkanstalten arbeite, kaum eine aufregendere sinnlich-performative Erfahrung gibt als die, am Mikrofon zu sitzen und gemeinsam mit "meinem" Publikum Musik zu hören.

Gerade in Zeiten medialen Wandels, um es weniger persönlich zu fassen, in denen es Bekenntnisse braucht, um starke Weichen zu stellen, sollte das Radio der erste Spiegel der Gesellschaft sein, ihr feinnervigster Seismograf. Ist es das noch?
Es gibt Symptome dafür, dass die breite gesellschaftliche Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schwindet. Der Umgang mit Kritik und Protesten scheint zu dieser Entwicklung ebenso beigetragen zu haben wie der seit etwa zehn Jahren schwelende Streit um den Zuschnitt des kulturellen Angebots. Die "Einschläge", wie Christian Höppner sich ausdrückt, der Generalsekretär des Deutschen Musikrats, die das System infrage stellten, kämen "in immer dichterer Folge immer näher". Die Orchesterfusion beim SWR, das Verschwinden von BR-Klassik aus dem UKW-Netz zugunsten des Jugendsenders PULS, der Rotstift, der über allen und allem kreist – dies lege in der Summe eine "Erosion des Selbstverständnisses" nahe. Wenn es so weitergehe, ruft Höppner ins Handy, wenn die Radiomacher nur daran dächten, die Nachfrage zu decken und nicht auch zu wecken, selbstbewusst, mutig, kreativ, "dann steht mittelfristig die Zukunft auf dem Spiel".
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Montag, 1. September 2014
Die deutsche Radiolandschaft und das Megaphone von H.-J. Linke aus der aktuellen Ausgabe Jazzthetik
Dass etwas im Argen mit der dt. Radiolandschaft ist, haben die aufmerksamen Leser meines Blogs, schon oft gelesen. Vor kurzem hatten wir hier erfahren was in Frankreich passiert ist und wo der neue Hörfunkdirektor von Radio France, Mathieu Gallet, mit dem Slogan antrat: "Mehr Musik, weniger Musikwissenschaft". Ihr erinnert euch. 
Dieses Statement hat Hans-Jürgen Linke zum Anlass für seine Kolumne, in der neusten Ausgabe der Jazzthetik genommen. Dort beschreibt er anschaulich was in der jetzigen dt. Radiolandschaft los ist und vor allem, was uns noch erwartet! 
Alan Bangs hat das besonders tragisch zu spüren bekommen, wohin die neue Richtung im Radio geht. Erst wurde er von DRadiowissen geholt und gefeiert ( für viele seiner Fans war es ein Fest) um dann später gehen zu müssen. Sein kritischer Geist, seine unkonventionelle Art Musik zu spielen, die ihn interessiert - das darf nicht mehr sein. Heute nicht mehr... 
(Seine letzten Nightflights gehören zum Besten was ich je im Radio gehört habe!) 
Leider fehlt bei H.-J.Linke diese Geschichte von Alan, obwohl sie doch ein Paradebeispiel für das Thema seiner Kolumne wäre...
Langsam aber sicher werden die Programmdirektoren und Intendanten die Kostenfalle zu schnappen lassen. Es zählt die Quote, das Geld. 
Jetzt, wo wir alle zahlen müssen, jetzt, fängt das große zählen an, wird Qualität durch Austauschbarkeit und Quote ersetzt. Das alles hat H.J.Linke in seiner ganzen Perfidität beschrieben.
Die Chefredakteurin der Jazzthetik hat mir den kompletten Text (Vielen Dank!) der Kolumne zur Verfügung gestellt, welcher in der aktuellen Ausgabe vom Sept./Okt. zu finden ist.
Also lest selbst und bildet euch eine Meinung dazu...
Diskussion und Kommentare sind erwünscht.

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Megaphone von Hans-Jürgen Linke ©(Jazzthetik 9/10 2014)
Jetzt auch Frankreich, das manchen während der letzten Jahre wie ein Rückzugsort des alten Europa erschienen war. Der neue Hörfunkdirektor von Radio France, Mathieu Gallet, war angetreten mit dem verdächtigen Slogan „Mehr Musik, weniger Musikwissenschaft“. Das im Laufe der Zeit ohnehin schon gefledderte Jazzprogramm wurde noch einmal drastisch gekürzt, der langjährige Redakteur des Bureau de Jazz, Xavier Prévost, darf keine Konzerte mehr organisieren und wird sowieso demnächst aus Altersgründen entlassen.
Nicht unmittelbar, aber mittelbar damit in einem engen Zusammenhang wurde das Centre d’information du jazz geschlossen, ein öffentlich-rechtliches Musikinformationszentrum, das seine Infrastruktur mit dem Centre d‘information du rock et des variétés unter dem Dach der IRMA (Centre d’informations et de ressources pour les musiques actuelles) geteilt hat. Das IRMA konzentriert sich nunmehr auf die allgemeine Verwaltung der Ressourcen und hat spezialisierte Sparten-Informations-Abteilungen schließen müssen. Es geht aber bei all dem nicht um den Jazz. Das wäre zu viel der Feinde, zu viel der Ehre. Jazz ist ein kleines Minderheiten-Segment in der an Minderheiten-Segmenten nicht armen Welt des öffentlich-rechtlichen Hörfunks im alten Europa. Diese Welt ist eine Kampfzone geworden, auch in Deutschland.
Zu den Tatsachen gehört hier inzwischen, dass Vertreter der Hochkultur – und der Jazz ist unbedingt dazuzurechnen – sowie die der Hörspiele, der E-Musik, überhaupt der inhaltlich ambitioniert oder konsistent konzipierten Programme und elaborierteren Wortbeiträge, sich in einigen Sendern schon wie eine bedrohte Minderheit fühlen. Dort, wo in diesen Rundfunksendern die Leute sitzen, die rechnen müssen (ob sie das wirklich können?), hat sich Ungeduld ausgebreitet. Eine Ungeduld, mit der darauf gewartet wird, dass die Hochkultur-Interessenvertreter in den Ruhestand verschwinden, damit sich das sogenannte Formatradio weiter ausbreiten kann, ohne dass es ständig zu öffentlichen Stellungnahmen und Aufbäumungen im Namen von Instanzen wie Qualitätsjournalismus und Kulturauftrag kommt. Die Chancen stehen nicht schlecht für die Kostensenker. Wer Worte wie Qualitätsjournalismus und Kulturauftrag im Munde führt und zum legitimierenden Anliegen des Rundfunks erklärt, ist heute in der Regel über 50. Ist die ganze Aufregung also nur ein Zeichen für den Generationenwechsel? Ist es wirklich so, dass die nachwachsende Generation Dudelfunk und Quotenradio vorzieht und Qualitätsjournalismus und den öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag für überflüssig hält?
megaphone hjlinke1 (pdf, 34 KB)
Das komplette Megaphone zum weiterlesen ... !

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Mittwoch, 27. August 2014
Mean Town Blues“ – Erinnerungen an Johnny Winter (1944-2014)
heute Abend 21.05Uhr auf WDR4
Mit Karl Lippegaus
Sein Aussehen als Albino mit langem, weißen Haar war allein schon aufsehenerregend. Wer ihn sah, vermutete schon seit längerem, der spindeldürre Gitarrenmaestro aus Texas habe nicht mehr lange zu leben.

Dass er es überhaupt bis in die zweite Dekade des 21. Jahrhunderts geschafft hat, gehört zu den Wundern seiner wechselvollen Karriere. Johnny Winter starb am 16. Juli in einem Hotelzimmer in Zürich, nachdem er gerade noch in Wiesen/Österreich ein Konzert gegeben hatte. Er wurde 70 Jahre alt.
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