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Sonntag, 30. April 2017
Bouncing with Bud - Der Bebop-Pianist Bud Powell
Bud Powell (1924-1966) war neben Thelonious Monk der wichtigste Pianist des Bebop. Sein Spielkonzept, bei dem die rechte Hand linear und saxofonartig phrasiert, wurde zum grundlegenden Modell des modernen Jazzpianos.
Mit Hans-Jürgen Schaal Mit 15 Jahren verließ Bud Powell die Schule und geriet bald in den Sog der Bebop-Szene. Anders als sein Mentor Thelonious Monk, dessen Klavierspiel etwas Störrisches und Eckiges besitzt, schien Powell die eleganten Linien der Bebop-Bläser auf die Tastatur zu übersetzen. Man nannte ihn daher den "Charlie Parker des Pianos". So klar Powells Spielkonzept war, so rätselhaft war allerdings der Mensch dahinter. Bud Powells psychische Probleme spiegeln sich in Stücktiteln wie "Glass Enclosure", "Hallucinations" oder "Oblivion". 1959 ging der mental angeschlagene Pianist nach Paris, wo der französische Jazzfan Francis Paudras ihn aufopferungsvoll betreute. Motive aus Powells Leben inspirierten 1985 auch den Film "Round Midnight". http://xb187.xb1.serverdomain.org/radio/musik/BouncingwithBud.mp3 Playlist PDF Der Wunsch nach Entgrenzung Rausch, Reisen, Neugier
Handlungen, so glauben wir, sind grundsätzlich zielgerichtet. Zielfreies Handeln sei dagegen bloßes Spiel, ohne Sinn und Kontinuität. Die Tyrannei der Ziele aber hat eine ungewollte Nebenwirkung.
Von Eike Gebhardt In dem Maße, wie Ziele uns steuern und antreiben, verstümmeln und verarmen sie uns auch. Mit zielgerichtetem Blick sortieren wir alles auf dem Weg dorthin nur noch danach, ob es förderlich oder hinderlich ist. Der Eigenwert von Erfahrungen bleibt auf der Strecke. Und so verkürzt unsere vielgelobte Zielstrebigkeit auch unsere kognitive und emotionale Entwicklung. Polemisch zugespitzt könnte man formulieren: Wir amputieren unsere Neugier - und erleben diese Verstümmelung als Reife. http://avdlswr-a.akamaihd.net/swr/swr2/essay/2017/04/10/930036.12844s.mp3 Manuskript PDF © SWR 2, Essay, 10.3.2017 Dienstag, 25. April 2017
"Honeyfeet" Konzertmitschnitt vom 11. März 2017, Music Hall, Worpswede
Die irische Sängerin und Flötistin trat mit Honeyfeet in der Music Hall, Worpswede auf und begeisterte ihr Publikum. Rioghnach Connolly wird mit der Band The Breath Ende Mai im Kito auftreten.
Eine umwerfende Stimme Eine Band wie sie findet man kein zweites Mal: Bei Honeyfeet, der Großformation aus Manchester, hat die stilistische Vielfalt System. Zwischen Folk, Soul und Rock finden auch Jazz, Blues und Hiphop einen schlüssigen Platz. Die Frau, die all das zusammenführt, hat eine imposante Statur, eine umwerfende Stimme, und sie ist Flötistin: Rioghnach Connolly, Vokalistin mit nordirischen Wurzeln. Connolly singt gleich in mehreren Gruppen. Darunter ist auch The Breath, eine Zusammenarbeit mit dem Gitarristen und Komponisten Stuart McCallum vom Cinematic Orchestra. Deren hoch gelobtes Albumdebüt erschien vor einiger Zeit auf dem Realworld-Label. Connolly ist auch jenseits ihrer festen Projekte zunehmend gefragt. So sang sie für eine neuerliche Ausgabe des Afro-Celt Sound System. Weltmusikalische Einflüsse klingen vereinzelt auch bei Honeyfeet an. Aber im Kern ist die Gruppe, deren Songs im Kollektiv entstehen, eine zupackende Roots-Formation. In Großbritannien ist Honeyfeet bereits viel herumgekommen. Der Auftritt im Rahmen des "Women in emotion"-Festivals war ihre Deutschland-Premiere. Honeyfeet "From Odessa With Love" Porträt der ukrainischen Sängerin und Komponistin Tamara Lukasheva
Von Anja Buchmann
Sie ist jung, hat eine unbändige sängerische Energie, sie ist fantasievoll und verspielt, sie verbindet Tradition mit Experiment und hat große Freude an Improvisation: Tamara Lukasheva, Jahrgang 1988, geboren in der Ukraine. Ihr Studium am Konservatorium in Odessa mit den Fächern Gesang und Jazzpiano setzte sie in ihrer neuen Wahlheimat Köln fort. Tamara Lukasheva trat schon als Sopranistin an diversen Opernhäusern in der Ukraine auf, gewann den Jungen Deutschen Jazzpreis Osnabrück sowie den BuJazzO-Kompositionswettbewerb. Sie leitet ein eigenes Quartett, in dem sie auf lebendige Weise folkloristische Elemente ihrer Heimat mit modernem Jazz und Klassik verbindet. Außerdem ist sie in zwei Duos aktiv - im zuweilen sehr frei agierenden Ensemble mit Schlagzeuger Dominik Mahnig und im Ensemble Matria mit dem Trompeter Matthias Schriefl, wo sie eine irrwitzige Mischung aus Allgäuer und ukrainischer Folklore im Jazzformat präsentiert. Tamara Lukasheva Donnerstag, 20. April 2017
"Gutes braucht seine Zeit..." Portrait des amerikanischen Pianisten Fred Hersch
Von Karsten Mützelfeldt
“Good things happen slowly, bad things happen fast.“ Mit diesen Worten wendet sich der Arzt an Fred Herschs Lebenspartner, man wisse nicht, ob sein schwer erkrankter Freund eine Überlebenschance habe. Als Folge einer Aids-Erkrankung war Fred Hersch 2008 in ein zwei-monatiges Koma gefallen. Dass der Pianist überlebte und ohne Folgeschäden zurück ins Leben fand, grenzt an ein Wunder. Der 61-Jährige, der sich als einer der ersten Jazz-Musiker offen zu seiner Homosexualität bekannte, bringt noch in diesem Jahr seine Memoiren heraus ‚Good Things Happen Slowly‘ . „Ich habe derzeit mehr Erfolg als vor zehn oder 20 Jahren. In der hektischen Suche nach young lions in den 80er- und frühen 90er-Jahren hatte man mich übersehen - vielleicht, weil ich immer etwas anders spielte, womöglich spielte auch Homophobie eine Rolle. Jetzt werde ich mit Preisen geehrt.“ Fred Hersch, von Jazz-Klaviergrößen wie Jason Moran, Brad Mehldau und Vijay Iyer als wichtige Inspiration bezeichnet, spielte u.a. mit Joe Henderson, Stan Getz, Art Farmer, Charlie Haden, Sonny Rollins und Toots Thielemans und konzentriert sich seit längerem auf die Arbeit mit einem eigenen Trio sowie auf Duos und Soloauftritte. Kompositorisch ist er auch im Bereich moderner Konzertmusik aktiv; seine traumatische Komaerfahrung verarbeitete Hersch mit einem multimedialen Projekt: My Coma Dreams. „Nach der AIDS-Diagnose Ende der 80er-Jahre nahm ich ein Album nach dem anderen auf. Immer unter dem Druck, es könnte mein letztes sein, wollte ich so viel wie möglich der Nachwelt hinterlassen. Von diesem Druck bin ich nun befreit.“ Fred Hersch "Suzanne Vega und Duo" Live Gasteig München
Gasteig München
Aufzeichnung vom 02.10.2016 Suzanne Vega und Duo Suzanne Vega, Gesang und Gitarre Gerry Leonard, Gitarre Jason Hart, Klavier und Keyboard Alte und neue Songs in Triovarianten Suzanne Vega und Duo Es war ein ganz besonderer Abend im Carl-Orff-Saal des Münchner Kulturzentrums Gasteig. Nicht nur, weil mit Suzanne Vega eine der bekanntesten und stilprägendsten Singer/Songwriterinnen der USA auftrat, sondern auch, weil sie bekannte Songs wie "Crack in the Wall" oder "Gypsy" mit neuen Songs ihres aktuellen Albums "Lover, Beloved" ergänzte (oder umgekehrt), die sie mit neuen Arrangements nur von einem Duo begleiten ließ. Über das Album ist damals viel gesprochen worden. Immerhin ein Langzeitprojekt der Musikerin, das sie schon als 20jährige begonnen hatte und der US-amerikanischen Schriftstellerin Carson McCullers (1917-1967) widmete. So schrieb Suzanne Vega das Theaterstück "Carson McCullers Talks About Love". Eine fiktive Autobiographie, für die Suzanne Vega auch einige Songs schrieb. Diese veröffentlichte sie auf dem Album "Lover, Beloved: Songs from an Evening with Carson McCullers". Songs, die an jenem Abend in München in ihren reduzierten Arrangements eine faszinierende wie intensive Ausstrahlung entwickelten. Nina Mya & Band + Ikonostasis
Pori Jazz Festival
Lokkilava, Kirjurinluoto (Finnland) Aufzeichnung vom 14./15.07.2016 Nina Mya & Band: Nina Mya,Gesang Jukka Eskola, Trompete Petri Puolitaival, Saxofon Henri Mäntylä, Klavier Jori Huhtala, Bass Tuomas Timonen, Schlagzeug Abdissa Assefa, Perkussion Ikonostasis: Kari Ikonen, Klavier Ra-Kalam Bob Moses, Schlagzeug Mathias Eick, Trompete Nina Mya & Band + Ikonostasis Es ist schon lange keine Geheimnis mehr: die Jazzszene in Finnland ist sehr vital und unglaublich vielseitig. Eine der großen Konstanten in der heimischen Konzertlandschaft ist seit über 50 Jahren das "Pori Jazz-Festival" im Südwesten Finnlands. Dort treten bis heute viele internationale Musikerpersönlichkeiten auf, aber auch die nationale Szene wird nicht vernachlässigt. Bei der letzten Festival-Ausgabe im Juli 2016 lieferte Sängerin Nina Mya mit ihrer Band ein beeindruckendes Konzert ab. Nina Mya, geboren 1989 in Tornio ( Finnland), hat in Helsinki und später in New York u.a. bei Gretchen Parlato und Theo Bleckmann studiert und ist in der internationalen Jazzszene mittlerweile gut vernetzt. In ihrer Musik bündelt sie auf charmante und sehr erfrischende Art und Weise die amerikanische Jazztradition der 1930er bis 50er Jahren mit Soul und aktueller Popmusik. Beim "Pori Jazz Festival" stellte sie im vergangenen Sommer ihr mittlerweile drittes Album unter eigenem vor: "Closure", das sie mit einer großen Stilsicherheit und einer unaufgeregten musikalischen Schönheit auch auf die Bühne brachte. Der finnische Pianist Kari Ikonen (Jahrgang 1973) ist mittlerweile selbst Dozent an der Sibelius-Akademie in Helsinki (wo auch Nina Mya studiert hat), mehrfach ausgezeichneter Jazzmusiker des Jahres in Finnland und aufgrund seiner längeren Erfahrung und seiner großen musikalischen Offenheit sehr präsent in der internationalen Jazzszene. Mit dem norwegischen Trompeter Mathias Eick und der amerikanischen Schlagzeug-Legende Bob Moses bildet Ikonen das feinnervige Trio "Ikonostasis", das beim "Pori Jazz Festival" einen nachhaltigen Eindruck hinterließ. "Little Axe" Konzertmitschnitt vom 6. Juni 2006, Kulturzentrum Schlachthof, Bremen
Entstanden Mitte der 90er Jahre verknüpft das Trio "Little Axe" Musik aus unterschiedlichen Roots-Stilen.
Little Axe ist die Band von Gitarrist Skip McDonald, Bassist Doug Wimbish und Drummer Keith LeBlanc. Entstanden war das Unternehmen aus der Zusammenarbeit mit dem britischen Reggae/Dub-Produzenten Adrian Sherwood. Mit ihm gemeinsam hatten die US-Amerikaner einst die Gruppe Tackhead ins Leben gerufen. McDonald, vormals Gitarrist für das Rap/Soul/Disco-Label Sugarhill Records in New York, wurde zu einer Art Hausgitarrist von Sherwoods On-U Sound-Label, Heimat für Dub/Reggae-Crossover-Unternehmen unterschiedlichster Art. Unter dem On-U-Dach entstand Mitte der 1990er Jahre auch Little Axe. Das Trio verknüpft Roots-Stile wie Blues, Gospel, Soul und Jazz mit Reggae- mit Dub-Ästhetiken. Little Axe Montag, 17. April 2017
"Lust und Zwang" Das Phänomen Wiederholung Mit Harry Lachner
Wiederholungen sind blöd! Nein, Wiederholungen schaffen Raum für Erkenntnisse und Kunst! „Nur das Wiederholbare führt zur Kunst“ stellte Gottfried Benn fest. Harry Lachner beschäftigt sich mit dem zweischneidigen Phänomen Repetition in Literatur, Musik und Philosophie.
Mit Harry Lachner http://cdn-storage.br.de/iLCpbHJGNL9zu6i6NL97bmWH_-bf/_-9S/_AbH_Ak6_71S/9583608b-a3db-459d-889d-56efc6f325ef_3.mp3 Macht Wiederholung glücklich? Unbedingt, meinte der Philosoph Søren Kierkegaard. Für ihn bedeutete Wiederholung eine Erinnerung nach vorne, eine Bewegung in die Zukunft. "Die Welt", schreibt er, "hat dadurch Bestand, dass sie eine Wiederholung ist. Die Wiederholung, sie ist die Wirklichkeit und des Daseins Ernst. Wer die Wiederholung will, der ist im Ernst gereift." Es ist dieser lustvolle Wiederholungszwang, dem wir unsere Vorstellung von der Welt verdanken. Wir empfinden eine gewisse Vertrautheit in diesen zweiten, dritten Begegnungen; eine Selbstversicherung, in der erneuten Konfrontation mit jenem Bekannten, das wir sehen, das wir hören. Es beginnt mit den kleinsten, wiederkehrenden Motiven in der Musik und endet mit den großen Zyklen des Lebens. Nur: Was bedeutet Wiederholung? Ein Ereignis, das verdoppelt, das vervielfacht wird, kann schon bei der ersten Wiederkehr nicht mehr mit dem ursprünglichen identisch sein. Denn was geschieht in der Zeit zwischen dem Wiederauftauchen eines Motivs, einer Tonfolge, eines Bildes? Sie alle stehen jetzt in einer Reihe, erhalten eine zusätzliche Bedeutung von all jenen, die vorher aufgetaucht waren. Die Wiederkehr erzeugt eine Erwartung, jede weitere Wiederholung verweist auf eine zukünftige. Erinnerte Vergangenheit wird wiederkehrende Zukunft. Als sei eine Maschine angeworfen, die zielgerichtet ins Endlose weist. Eine Maschine, die an der Oberfläche Identitäten produziert - etwa Andy Warhols Siebdruck mit dreißig Abbildungen der Mona Lisa; oder die 840 Mal wiederholte Taktgruppe in Erik Saties Komposition "Vexations". Es konkretisiert sich nun in der Wiederholung, sowohl einer serigraphischen Reihung als auch in der musikalischen, ein Paradox: das Bild, das statisch war, gerät in Bewegung; was eine musikalische Entwicklung andeutete, friert fest. Ja, selbst ein Reim muss als Wiederholung gedacht werden. Weiter lesen ... ! © Bayern 2, Nachtstudio, "Unterwerfung" Beide Teile nach dem Roman "Soumission" von Michel Houellebecq
Die französische Präsidentschaftswahl 2017 wird, sollte die Amtszeit von Staatspräsident François Hollande nicht vorzeitig enden, am 23. April 2017 stattfinden. Eine Stichwahl, die bisher immer notwendig war, wäre für den 7. Mai 2017 vorgesehen.
Michel Houellebecqs Vision "Unterwerfung", erschienen im Januar 2015, verhandelt nichts weniger als die Fiktion, dass Frankreich 2022 in eine gemäßigte islamische Republik überführt wird. Der erste Teil erzählt gleich einem semidokumentarischen Krimi, wie Ben Abbes von der Bruderschaft der Muslime die Stichwahl gegen die Front National unter Marine Le Pen gewinnt. Das liberale und bürgerliche Lager unterstützt ihn, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Unterwerfung (1/2): Rocamadour http://xb187.xb1.serverdomain.org/radio/musik/Unterwerfung_1_2.mp3 Unterwerfung (2/2): Das römische Reich http://xb187.xb1.serverdomain.org/radio/musik/Unterwerfung_2_2.mp3 Aus dem Französischen von Norma Cassau und Bernd Wilczek Komposition: Rainer Römer Hörspielbearbeitung und Regie: Leonhard Koppelmann (Produktion: SWR 2015) Florian Welle notiert in der Süddeutschen Zeitung, die Hörspielfassung sei "ein gelungener Drahtseilakt, bei dem sich Ernst und Satire, Verzweiflung und Hoffnung, Dystopie und Utopie die Waage halten." Eva-Maria Lenz ergänzte zur Hörspielfassung in epd-medien: "'Unterwerfung' verquickt Möglichkeits- mit Wirklichkeitssinn. Erstaunlicherweise wird daraus in dieser akustisch klugen Inszenierung weniger Albtraum als Denkmodell." Michel Houellebecq, geboren 1956, zählt zu den meistdiskutierten französischen Gegenwartsautoren. 2016 erhielt er den Frank-Schirrmacher-Preis der FAZ. Bereits seine früheren Romane »Ausweitung der Kampfzone«, »Elementarteilchen« und »Plattform« wurden von der ARD in Hörspielfassungen umgesetzt. Zur Hörspielfassung von "Unterwerfung" Interview mit Leonhard Koppelmann© SWR 2, Hörspiel, 2017 ... Ältere Stories
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