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Sonntag, 15. März 2015
Crazy Horse One-Eight and other Boneyard Castaways
Von Gregory Whitehead
2007 dringt über die Plattform Wikileaks ein Video an die Öffentlichkeit: "Collateral Murder". Es zeigt eine amerikanische Hubschraubereinheit (Crazy Horse One-Eight), die während der Besetzung des Irak 2007 eine Gruppe von Menschen tötete. Mehr noch als das Videobild schockiert die Tonspur: Die Kommunikation zwischen Bordbesatzung und Einsatzleitung ist brutal und gleichgültig, der Militärjargon verharmlosend. Aus dem Transkript schuf Gregory Whitehead eine den Ermordeten gewidmete Kantate. Sie ist Teil einer Serie von vier Trauergesängen, den "Kantaten für Friedhofschor". Sie reflektieren zugleich die militärische Nutzung von Funk und Radio sowie die propagandistische Manipulation durch Sprache. Und sie verweisen auf die spiritistisch-okkulte Seite der Medien und auf die immer wiederkehrenden Spekulationen über ihre Verbindung ins "Jenseits": Können die Apparate die Stimmen Verstorbener empfangen? Crazy Horse One-Eight and other Boneyard Castaways In Flac Produktion: Autorenproduktion / Radio Dreamlands Project / UK Radio Arts 2014 Rot
Rote Musik: Von den satten Farben des Sommers in Elzbieta Sikoras Rouge d'été bis zur Paradoxie des roten Schnees in Natasha Barretts Soundscape-Collage Red Snow. Zur unheilvollen Farbe des griechischen Totengottes wird das Rot im Stück von Bernard Parmegiani, während es bei Gottfried Michael Koenig die nüchterne Struktur einer Komposition aus den Pioniertagen der algorithmisch generierten Musik beschreibt.
Rot In Flac Elzbieta Sikora: Rouge d'été (2002) Natasha Barrett: Red Snow (1998) Gottfried Michael Koenig: Funktion Rot (1968) Bernard Parmegiani: Rouge-Mort: Thanatos (1987 Die Musik von morgen 26.2.2015
Austrian Invasion mit Bilderbuch, Worried Man & Worried Boy und Gang Four Mit Angie Portmann
Gerade werden Bilderbuch & Co. nicht nur durch die österreichischen Medien gejagt, auch bei uns ist man begeistert. Mit ihrer dritten Platte "Schick Schock" sind die vier Wiener von der ehrenwerten Indierockband zum überdrehten Style-Hybrid mutiert, that’s entertainment! Alles andere als unterhaltsam ist dagegen das neue, erschreckend schlechte Album der ehemals stilbildenden Gang of Four. Außerdem in der Musik von Morgen mit den Neuerscheinungen der Woche: Purity Ring, SOKO, Ghostpoet, Sizarr, Axel Krygier, Noel Gallagher und Black Yaya. Playlist Die Musik von morgen 26.2.2015 Samstag, 14. März 2015
"Entspannte Klangphantasien"
Neues aus dem Grenzgebiet zwischen Rock, Jazz und Elektronik Mit Harry Lachner
Manchmal geht es nur um Nuancen, um intelligent gesetzte Details; etwa jene dramaturgische Stille zwischen zwei Klängen, die unsere Aufmerksamkeit schärft, die Spannung erzeugt. Oder um den unerwartet auftauchenden "fremden" Klang an sich. Das können - wie im Fall von Gabriel Ledouxs Album "Le vide parfait" - Sprachfetzen sein, die die Musik wieder in einen sozialen Kontext stellen; oder - wie bei der Band Huntsville - überraschende, aber sehr behutsam eingesetzte Störklänge. Dabei muss die Musik nicht im Abstrakten bleiben: Auf dem Album "Bucket of Songs" lässt die Band Labfield diese Momente einer ausgesprochenen Klangsensibilität in fast schon traditionelle Songformen einfließen, während Manyfingers den umgekehrten Weg einschlägt; hier ist die Songform der Ausgangspunkt, um das altbekannte Schema durch überraschende Klangkombinationen zu weiten. Fast schon traditionell erscheint dagegen das Album "Hey Joe Opus Red Meat" vom Blues-Gitarristen und Sänger Otis Taylor. Doch auch er kann sich auf Beihilfe aus einem anderen Genre verlassen, um nicht ins Museale abzugleiten oder eine Feier der Vergangenheit zu inszenieren. Wie schon einmal, so spielt auch hier der Trompeter Ron Miles wieder eine entscheidende Rolle in der Weitung des Blues-Schemas. Außerdem gibt es Neuheiten u.a. von den Enablers, Six Organs of Admittanceund Sonae. Wie immer: breitgestreut vom Vertrauten zum Fremden. Playlist Entspannte Klangphantasien Freitag, 13. März 2015
"John Fahey" Konzertmitschnitt vom 20. März 1978, Bürgerzentrum Neue Vahr, Bremen
Die amerikanische Musikzeitschrift "Rolling Stone" nahm ihn 2003 in die Liste der größten Gitarristen aller Zeiten auf. John Fahey erlebte diesen Erfolg nicht mehr.
Sein erstes Album veröffentlichte er unter einem Pseudonym. Der Name Blind Thomas ließ auf einen schwarzen Countryblues-Mann schließen. Tatsächlich war der Blues ein prägender Einfluss für John Fahey. Der junge Gitarrist aus der Nähe von Washington, D.C, begeisterte sich außerdem für Folkstile und für klassische Musik des 20. Jahrhunderts. Daraus entwickelte er einen ganz eigenen Stil, der ihm die Bewunderung von Generationen aufstrebender Gitarristen einbrachte. Fahey gründete schon früh ein eigenes Plattenlabel. In den siebziger Jahren brachen schwierige Zeiten an. Gesundheitliche Probleme und eine zunehmende Alkoholabhängigkeit beeinträchtigten sein musikalisches Schaffen. Geraume Zeit lebte Fahey am Rande des Existenzminimums. Erst in den neunziger Jahren konnte er sein Leben stabilisieren und späte Anerkennung für sein Werk als eigenwilliger Gitarren-Modernist ernten. John Fahey "Die höchste Eisenbahn"
Docks Hamburg; Aufzeichnung vom 20.09.2014
Er habe sich "eine riesige, auf Stelzen fahrende Eisenbahn" vorgestellt, als er den Bandnamen 'Die höchste Eisenbahn' erfunden hat. Sagt Singer/Songwriter Franceso Wilkening (Tele) über den Namen jener Band, die er 2011 mit seinem Kollegen Moritz Krämer in Berlin gegründet hat. Ein Singer/Songwriter-Duo, an dessen Anfang auch Judith Holofernes (Wir sind Helden) oder Gisbert zu Knyphausen mit dabei war und mittlerweile mit Max Schröder (Olli und der Hund Marie, Tomte) und Felix Weigt (Kid Kopphausen, Spaceman Spiff) als Quartett durch die Lande zieht. Im vergangenen Jahr hatten sie u.a. beim Reeperbahnfestival in Hamburg einen großartigen Auftritt und stellten einmal mehr unter Beweis, dass auch zwei Alphatiere in der Lage sind, gut gemachten und glaubwürdigen Indiepop auf die Beine zu stellen. Ergänzt wird die Aufzeichnung mit Ausschnitten aus dem Auftritt von Jens Friebe und seiner Band. Die höchste Eisenbahn Operationen am offenen Herzen
Mit Noe Noack
Die New Yorker Noise-Rocker "A Place To Bury Strangers" schaffen überzeugend den Spagat zwischen brachialem Lärm und finsterer Psychedelik. Für den großen Erfolg waren sie zu spät dran und zu vielschichtig. Aber auf ihrem neuen Album "Transfixiation" zeigen sie, was mit Selbstvertrauen und dem Willen zur Ekstase in diesem Genre noch möglich ist. Der durchgeknallte Funkster Clarence Clarity wandelt größenwahnsinnig auf den Spuren von George Clinton und behauptet, in Kontakt mit Außerirdischen zu stehen und in göttlicher Mission unterwegs zu sein. Der französisch-schwedische Songwriter Herman Dune verstrickt sich gerne in zig verschiedene Sounddetails und Instrumente, aber er verzettelt sich selten und verliert kaum den roten Faden in seinen Songs. Unübersichtlicher wirds da schon bei seinen Künstlernamen. Die wechselt der Folkie mit dem Faible für Stofftiere häufiger als andere Musiker ihre Gitarrensaiten. David-Ivar Herman Dune, unser Nachtmix-Künstler der Woche nennt sich jetzt erstmals Black Yaya (Yaya war sein Spitzname in der Schule) und wirkt entspannter und poppiger denn je. Playlist Operationen am offenen Herzen Höhepunkte vom Jazzfestival Willisau 2014 (2/2) Mit Howe Gelb & Radian und Marc Ribot Solo
Am Mikrofon: Thomas Loewner
Seit 1975 steht das Schweizer Städtchen Willisau jedes Jahr im Spätsommer im Rampenlicht der Jazzwelt. Vor allem Freunde des zeitgenössischen Jazz mit Mut zum Experiment kommen hier traditionell auf ihre Kosten, Willisau gilt auch als die Schweizer Variante des Moers Festivals. Das Programm spiegelt aktuelle Entwicklungen der amerikanischen Szene wider, aber auch Bands aus Europa bekommen hier ein Podium. Eine Begegnung mit Spielansätzen beider Kontinente war etwa der gemeinsame Auftritt der Wiener Band Radian mit dem amerikanischen Gitarristen und Songwriter Howe Gelb, ein Zusammentreffen von hochpräzisem elektro-akustischen Minimalismus und knarzigem Wüsten-Rock. Seit vielen Jahren einer der markantesten Gitarristen im Grenzbereich zwischen Rock und Jazz-Avantgarde ist Marc Ribot. Mit seinem Soloprogramm präsentiert der New Yorker sich ganz so wie man es gewohnt von ihm ist: Statt auf Bequemlichkeit zu setzen, eckt er gerne an, bewahrt sich dabei aber immer eine gesunde Portion Humor. Playlist Howe Gelb & Radian und Marc Ribot Solo In Flac Wildes Denken: "Kein Y für ein X vormachen" Die Quotennummer von Wildes Denken (!!!)
Laura Freisberg: La vie en rose - Was ich als Frau und Ex-Mädchen mir wünsche bzw. nie gewünscht habe.
Michael Hirsch: Frauen - Macht - Politik! Me myself und Mutter Matzko Palzers Papierflieger: Genderdämmerung Zeyngeist: Vaginaneid vs Atomphallus Moderation und Quotenmann: Thomas Kretschmer Kein Y für ein X vormachen Der Feminismus - das sei kaum mehr als Menstruationscomics und Katzenbildchen, ließ sich eine Redakteurin der Welt letztens aus. Sie konnte sich des Beifalls sicher sein: Feminismus-Bashing - das geht immer. Wildes Denken fordert hingegen: Quotenschnepfen, Rabenmütter oder Zukurzgekommene aller Geschlechter vereinigt Euch! "Blue Monday" 23.2.2015 Neues und Altes von Romare, Locas In Love und Sufjan Stevens
Mit Ralf Summer
Romare ist ein junger Londoner Produzent, der sich durch die schwarze Musik des Jazz, Soul, Blues und Afro sampelt: Auf seinem ersten Album "Projections" schließt er an einen Sound an, der an die Anfänge von Kruder & Dorfmeister in Wien oder Boozoo Bajou aus Nürnberg erinnert. Sind etwa Downbeat, TripHop, Lounge zurück? Locas In Love aus Köln verbinden auf "Use Your Illusions 3+4" deutschsprachigen Indie-Pop mit Krautrock. Außerdem dabei mit neuen Songs: Sufjan Stevens, Future Brown (eine Art Supergroup des avancierten HipHop um Fatima Al Qadiri, die New Yorkerin mit arabischen Wurzeln), Antonio Sanchez (der Trommler mit dem Soundtrack zum fantastischen "Birdman"-Film im Kino), aus London Sänger und Produzent Beat Spacek und House-Legende Herbert. Ein Wiederhören gibt es mit Bob Lind und Harumi aus den 60ern und mit Modest Mouse aus den 00ern. Playlist Blue Monday 23.2.2015 ... Ältere Stories
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