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Montag, 8. Februar 2016
"Jazzfest Berlin 2015 (III)"
Konzertmitschnitte vom 7. und 8. November 2015, Haus der Berliner Festspiele
Das Jazzfest Berlin wird seit 2015 von dem Engländer Richard Williams geleitet. Er stellte ein facettenreiches Programm zusammen. Bands wie Dylan Howe's Subterraneans und Laura Jurd's Dinosaur begeisterten das Konzertpublikum. Zu hören sind die Mitschnitte vom 7. und 8. November aus dem Haus der Berliner Festspiele.
Das Jazzfest Berlin hat eine außerordentliche Geschichte. Mit der letztjährigen Ausgabe startete das Festival "in das zweite halbe Jahrhundert seines Bestehens", wie der neue künstlerische Leiter Richard Williams im Programmheft schrieb. Kontinuität ist dem Engländer, der bereits 1969 bei den damaligen Berliner Jazztagen im Publikum saß, ein Anliegen. Das schließt die Fortsetzung dessen ein, was das international angesehene Jazz-Ereignis von jeher auszeichnete: einen Geist, der auf mutige Weise Tradition, brisante Aktualität und einen mutigen Blick nach vorn verbindet. Jazz, so betont Williams immer wieder, ist weniger eine Stilfrage als eine innere Einstellung – ein "spirit".

In diesem Sinne stellte er ein Programm zusammen, das viele Facetten hatte. Allein 30 Nationalitäten waren in den verschiedenen Besetzungen vertreten. Die Bandbreite reichte von Formationen klassischen Zuschnitts wie dem Piano-Trio bis zu ungewöhnlichen Instrumentierungen und Konzepten. Das Publikum dankte es ihm mit durchweg ausverkauften Konzerten.

Dylan Howe und Laura Jurd
Für Drummer Dylan Howe aus England war Berlin eine Art Sehnsuchtsort geworden. Sein "Subterraneans"-Programm, über Jahre entwickelt, basiert auf jenen Instrumentalstücken, die Popstar David Bowie knapp 40 Jahre zuvor in seiner "Berliner Phase" geschaffen hatte. Trompeterin Laura Jurd, ebenfalls in London zuhause, zählt zu den großen Talenten der britischen Jazzszene: eine Frau, die stilistisch keine Scheuklappen kennt.
Dylan Howe und Laura Jurd

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"Stephanie Nilles Trio"
Konzertmitschnitte vom 1. Dezember 2015 und 26. Januar 2011, Moments, Bremen
Die Bremer kennen und schätzen die quirlige Pianistin aus New Orleans. Sie schreibt eigenwillige Texte und bevorzugt ein Bar-Feeling. Im Rahmen des Frauenfestivals 2011 und der Breminale 2012 trat sie bereits mit anderen Musikern auf. Wir senden den kompletten Konzertmitschnitt vom Dezember letzten Jahres sowie Auszüge vom Januar 2011.
New Orleans ist zu ihrer neuen Heimat geworden. Dort scheint Stephanie Nilles in mehrfacher Hinsicht am Besten aufgehoben. Die musikalischen Traditionen zwischen groovender Song-Kunst, Jazz, Blues und Cabaret-Song verschmelzen bei ihr zu etwas ganz Eigenem. Auch textlich ist die Frau am Klavier eine ausgemachte Individualistin: wortgewandt, eigenwillig, humorvoll und manchmal gezielt provokant.

Nicht von ungefähr kommen die häufig bemühten Vergleiche mit Tom Waits. Dem gibt die Nilles auch dadurch Nahrung, dass sie bei der Produktion ihrer Alben nicht nach audiophilen Qualitäten strebt, sondern eine Ästhetik zwischen spontaner Wohnzimmer-Session und nächtlichem Bar-Feeling bevorzugt.

Von der Klassik zum Jazz
Stephanie Nilles stammt aus Chicago, Illinois. Als hochmusikalisches Tasten-Talent wählte sie eine Ausbildung zur klassischen Musikerin. Bald stellte sie fest, dass diese Welt nicht die ihre ist. Sie schmiss hin, zog einen Strich unter das Thema Musik und ging nach New York City. Dort erhielt ihre kreative Ader neue Nahrung. Sie besuchte Jazz- und Songwriter-Konzerte – und befreite sich schließlich vom Ballast der klassischen Ausbildung.

Ihre ersten Alben veröffentlichte Nilles in Eigenregie. Anfang 2011 gab sie ihre Europapremiere im Rahmen des "women in (e)motion"-Festivals in Bremen. Seither tourt sie regelmäßig durch Europa. Jetzt war die Frau aus dem US-amerikanischen Süden mit ihrem aktuellen Trio unterwegs, mit dem sie das Album "Murder Ballads" aufgenommen hatte.
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Donnerstag, 4. Februar 2016
Jazzfest Berlin 2015 "Plaistow"
Jazzfest Berlin 2015
A-Trane Aufzeichnung vom 07.11.2015

Plaistow:
Johann Bourquenez, Klavier
Vincent Ruiz, Bass
Cyril Bondi, Schlagzeug

Zu den Entdeckungen beim Jazzfest Berlin 2015 zählte das Trio Plaistow aus der Schweiz. Die drei Musiker um den Pianisten Johann Bourquenez begeisterten das Publikum mit einer sehr offenen musikalischen Herangehensweise, in die sich auch zahlreiche Merkmale der Minimal Music und der elektronischen Musik unaufgeregt einfügen.
"Wir spielen elektronische Musik, aber mit akustischen Instrumenten", versucht Johann Bourquenez den musikalischen Ansatz der Band Plaistow auf den Punkt zu bringen. Gegründet hat sich das Schweizer Trio im Jahr 2007 und seitdem wurde der charaktervolle Gruppensound immer deutlicher, wahrnehmbarer und ausdifferenzierter.
Repetitiv-minimalistische Muster, schwebende Akkorde und feinnervig-präzise Rhythmen sorgen für ein Fundament, aus dem heraus es aber auch laut, verdichtet, psychedelisch und pulsierend werden kann. Beim Jazzfest Berlin hat Plaistow vor allem die Stücke des neuen Albums "Titan" vorgestellt. Ein intensives Werk mit vielen Spannungsbögen, das sich auch hervorragend live umsetzen lässt.
Plaistow

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"Chuck Mangione Quintet" Konzertmitschnitt vom 1. Februar 1979, Aladin, Bremen
Der Jazz-Flügelhornist und Komponist wurde durch seine Single "Feels so Good" international bekannt. 1979 kam er mit dem Soundtrack zum Film "The Children Of Sanchez" nach Bremen und trat mit seinem Quintet im Aladin auf. Wir senden einen Ausschnitt aus dem Konzert, das im Februar stattfand.
Der US-amerikanische Trompeter und Flügelhorn-Spezialist war noch keine 20 Jahre jung, als er sein erstes Album aufnehmen konnte. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Gap, der Klavier spielte, hatte er die "Jazz Brothers" gegründet, die 1960 ihr Plattendebüt gaben. Gefördert wurde die Band aus Rochester, New York, von Altsaxophonist Cannonball Adderley.

Chuck Mangione trat später unter anderem der "Jazz Messengers"-Schule von Drummer Art Blakey bei. Mit den Alben, die er später unter eigenem Namen aufnahm, orientierte er sich mehr und mehr in Richtung Popjazz. Die Produktion "Ballavia" von 1976 markierte einen ersten kommerziellen Höhepunkt, Grammy-Gewinn inklusive. 1978 entstand das Soundtrack-Doppelalbum "The Children Of Sanchez", ebenfalls mit einem Grammy prämiert – bezeichnenderweise als "Best Pop Instrumental Performance".

Das Bremer Konzert fand im Fahrwasser dieses Erfolges statt. Die Set-Liste umfasste die populärsten Stücke des Mangione-Werkes. Chuck Mangione konnte kürzlich seinen 75. Geburtstag feiern.
Chuck Mangione Quintet

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Freitag, 29. Januar 2016
"Und weil der Mensch ein Mensch ist ..."
Die Gruppe Grenzgänger mit antifaschistischen Liedern aus deutschen Konzentrationslagern
Die Bremer Gruppe Grenzgänger um Sänger, Gitarrist und Songschreiber Michael Zachcial beschäftigt sich seit vielen Jahren immer wieder auch mit Themen aus der deutschen Geschichte. Sie gräbt in Archiven vor allem nach neuen, unbekannten und vergessenen Liedern sowie Texten und entreißt sie in frischen, unverbrauchten Interpretationen der Vergessenheit. Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Gruppe auf ihrer aktuellen CD 'Und weil der Mensch ein Mensch ist' Lieder und Texte, die in den Lagern und Gefängnissen der NS-Zeit von inhaftierten Antifaschisten gesungen wurden. "Die Musiker unter ihnen", so heißt es im Booklet, "mussten für die Nazi-Schergen spielen und singen, wenn gefoltert und gemordet wurde, beim Marschieren, wenn sie schuften mussten in der Industrie oder 'kuhlen' im Moor, sie waren auch hier ungehorsam, sangen mit Absicht schief, zu leise, zu laut, tauschten Worte aus, sangen heimlich in den Baracken ihre eigenen Lieder, schmuggelten sie hinaus, auf allem, was man beschreiben konnte …" Einige dieser Lieder und deren Geschichte haben Michael Zachcial und seine Kollegen zusammengetragen.
Grenzgänger

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"Klänge aus dem Traumland" Ein Porträt des englischen Pianisten und Komponisten Elliot Galvin
Von Karsten Mützelfeldt
Gute, sehr gute Jazzmusiker gibt es viele. Dabei wird das Prädikat 'genial' immer wieder allzu vorschnell verwendet. Von einem Genius zu sprechen, trauen sich die Medien nicht so schnell - im Zusammenhang mit Elliot Galvin jedoch fällt dieses Wort verdächtig häufig. Und so ist es an der Zeit, sich auf die Spuren dieses mit so vielen Vorschusslorbeeren zum Geheimtipp Erkorenen zu machen. Schon zu Studienzeiten am Londoner Trinity College of Music sprachen die Lehrkräfte von einem neuen Talent, wie es nur alle ein, zwei Dekaden auftauche. Was Galvins pianistische und kompositorische Intelligenz, eine bis ins Surreale reichende Kreativität, Spielwitz, politisches Bewusstsein und einen respektvoll-respektlosen Umgang mit der Tradition angeht, wurde er mehrfach mit Django Bates verglichen. Der mit Humor und verrückten Ideen Gesegnete steht für eine junge Generation von Jazzmusikern, die mit Unterschiedlichstem aufgewachsen ist, sich ungeniert am übervollen Buffet aller Stile und Nicht-Stile bedient und daraus eine eigene Ästhetik formt. Doch Elliot Galvin geht noch weiter: Neben seinem brillanten Trio und EGG (der Elliot Galvin Group) pflegt der mittlerweile mit Kompositionspreisen und Auftragskompositionen überhäufte Mittzwanziger Projekte, in denen er die Klangkunst mit Künsten wie Film, Poesie und Tanz vereint. Zu den vielen Aktivitäten zählt auch seine Arbeit in dem von ihm mitgegründeten Londoner Chaos Collective. Frischer Wind von der Insel, der gerade unseren Kontinentalohren nur gut tut …
Klänge aus dem Traumland

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‘Follow The Sound’ Der Trompeter Avishai Cohen
Vorgestellt von Karl Lippegaus

Die New York Times sieht den extravaganten Trompeter Avishai Cohen - nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Jazzbassisten - in der direkten Nachfolge von Miles Davis: Wie dieser könne er seinem Horn ergreifende Schreie entlocken. Im Fachmagazin Down Beat wählten ihn die Kritiker drei Jahre in Folge zum 'Rising Star'. Kein Zweifel, Avishai Cohen ist längst angekommen - als Leader, Co-Leader und Sideman. 'Dark Nights' heißt sein siebtes Album im Trio mit Bassist Omer Avital und Drummer Nasheet Waits. Der in New York lebende Trompeter aus Israel hat ein ausgeprägtes Feeling für eine erregende Mischung aus modernen Eigenkompositionen, die er geschickt und sensibel mit handverlesenen Standards mischt, von Ellington oder Coleman, von Mingus oder Coltrane. Sein Kollege Enrico Rava nennt Cohen "meinen Favoriten unter den jungen Trompetern".
Avishai Cohen wurde in Tel Aviv geboren und gab schon als Zehnjähriger vor einer Bigband sein erstes Konzert. Er tourte mit dem Young Israel Philharmonic Orchestra unter Zubin Metha, Kurt Masur und Kent Nagano. Daneben arbeitete er viel mit Folk- und Popkünstlerin und reiste in die USA mit einem Stipendium an der Berklee School of Music (Boston). 1997 gewann der heute in New York lebende Künstler die Thelonious Monk Trumpet Competition. Doch erst fünf Jahre später erschien sein fulminantes Debütalbum 'The Trumpet Player', von da an ging’s weiter bergauf. Karl Lippegaus traf Avishai Cohen beim Jazzdor Festival in Straßburg.
‘Follow The Sound

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Dienstag, 26. Januar 2016
"Astro Blue" Die Sternzeichen-Suiten von Mary Lou Williams, Gerald Wilson und Cannonball Adderley
Von Harry Lachner
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Musiker sich ein übergeordnetes System zum Thema ihrer Kompositionen nehmen. Ein solches sind die Tierkreiszeichen, die für Mary Lou Williams, Cannonball Adderley, Barney Wilen oder Gerald Wilson die Referenz für einen Zyklus liefern. Das wirft natürlich die Frage auf, wie stark dabei der Fokus auf den astrologischen oder astronomischen Zeichen liegt: wie sich also die ihnen zugeschriebenen Charakteristika in der Musik selbst spiegeln. Oder ob ein solcher Zyklus nur als äußere Form genutzt wird, der den einzelnen Kompositionen eine Struktur verleiht. Der Saxofonisten Adderley etwa stellt in seinem Zyklus die esoterisch gefärbte Bedeutung in den Vordergrund. Sein Album entstand in der Blütezeit der Hippie-Mode, in der Sterndeuterei und Heilssuche eine besondere Verbindung eingingen. Adderleys Ansätzen musikalisch überlegen sind dageen die klingenden Sternbilder von Mary Lou Williams oder Barney Wilen, deren klar strukturierte Kompositionen sich dem Mystischen entziehen oder die inhaltliche Bedeutung auf subtile Art illustrieren.
Playlist
Astro Blue

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Der leise Weg musikalischer Freiheit - Jazz mit kammermusikalischem Ausdruck
Linkfehler behoben !
Der US-Amerikanische Jazzkomponist, Klarinettist und Saxophonist Jimmy Giuffre war einer der ersten Musiker, der Jazz mit kammermusikalischem Ansatz spielte. Sein Trio erhielt zunächst nur wenig Beachtung, später wurde die Band jedoch von vielen Fans und Musikern als eine der wichtigsten Gruppen der Jazz-Geschichte betrachtet. Die Band spielte freien Jazz, aber eher gedämpft und vergleichbar mit Kammermusik. Heutzutage ist es längst nichts Ungewöhnliches mehr, Jazz mit einer kammermusikalischen Ästhetik zu spielen. Manuela Krause stellt aktuelle Projekte vor: u.a. Das Blaue Pony, Sternal Symphonic Society, Malte Schillers Red Balloon, Till Martin Quartett, Kaleidoscope String Quartett, Living Room.
Moderation: Manuela Krause
Playlist
Der leise Weg musikalischer Freiheit 1 In Flac
Der leise Weg musikalischer Freiheit 2 In Flac
Der leise Weg musikalischer Freiheit 3 In Flac

Falscher Link für den 3. Teil der Sendung behoben !

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"Lass uns niemals erwachsen werden" Eine Lange Nacht des Dylan Thomas
Von Kerstin Kilanowski

Ein Künstler, wie er im Buche steht. Schon mit 18 Jahren widmet sich Dylan Thomas mit großer Ernsthaftigkeit der Erschaffung einer Lyrik, wie man sie zuvor nicht gehört hatte. Schulabbrecher, gescheiterter Jungreporter, ohne Berufsausbildung - aber die literarische Welt Großbritanniens erkennt auf Anhieb das großartige Talent des unbekannten jungen Mannes aus der walisischen Provinz.
Bis heute gilt Dylan Thomas als einer der wichtigsten und anspruchsvollsten Lyriker des 20. Jahrhunderts. Seine schwer übersetzbaren Gedichte spielen mit metaphysischen Bildern aus der Natur, handeln von der Stellung des Menschen in einem unbegreiflichen Kosmos, der Vergänglichkeit von Liebe. Gewürzt mit prallem Humor sind dagegen seine Essays und Kurzgeschichten, die den absurdkomischen Alltag der kleinen Leute aus Südwales wiedergeben.
Da wimmelt es von griesgrämigen Kapitänen, religiösen Eiferern und tratschenden Dorfweibern. Über dem allzu menschlichen Miniatur-Welttheater schwebt die Meeresatmosphäre von Ebbe und Flut, voller Seevögel, die sich im brechenden Licht spiegeln. Das Hörspiel "Unter dem Milchwald" mit seinen über 60 Stimmen gehört zu den großen Klassikern der Radiokunst. An ein Leben zwischen Sauftouren in den Dorfkneipen und der stürmischen Ehe mit seiner ebenso unkonventionellen Frau Caitlin erinnern Dylan Thomas‘ Briefe und die Memoiren von Zeitgenossen.
Welche Spuren das literarische Werk bis heute hinterlassen hat, erfuhr die Autorin dieser Langen Nacht auch in spannenden Interviews: Die Enkelin von Dylan Thomas verwaltet den Nachlass ihres berühmten Großvaters; ein Bauer aus Thomas‘ Heimatdorf hat auf seinem Grundstück einen Poesiespaziergang angelegt; ein Pensionär verwandelte Thomas‘ Geburtshaus mit viel Liebe in ein lebendes Museum. Und Elke Heidenreich, Literaturkritikerin und Fan des walisischen Dichters, wirft mit großer Leidenschaft einen verständnisvollen Blick auf die Schattenseiten von Dylan Thomas.
Lass uns niemals erwachsen werden
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