radiohörer - der blog für radiofans
Freitag, 6. November 2015
point of view [59]: Julia Mihály
Die Vokalistin Julia Mihály (*1984) ist spezialisiert auf die Interpretation zeitgenössischer Musik. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf Performances mit Stimme und Live-Elektronik.
Daneben betätigt sie sich auch als Programmiererin und entwickelt interaktive Software, die mit unterschiedlichsten Arten von Interfaces, Controllern und Sensoren gesteuert werden kann. Für "Point of View" hat Julia Mihály eine ganz persönliche Auswahl von elektronischen Stücken getroffen.

Mit Werken von:
Beatriz Ferreyra, Ryoji Ikeda, DJ Sniff, CLUBbleu, Karlheinz Stockhausen und Ron Geesin

Julia Mihály

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"Wilde Señoritas" Die Pianistin Irène Schweizer
Sie zählt zu den Wegbereiterinnen einer neuen europäischen Improvisationsmusik. Mit Beharrlichkeit, Talent und Teamgeist gelang es Irène Schweizer, neue musikalische Ausdrucksbereiche zu erschließen und als Pianistin einen unverwechselbaren Individualstil auszuprägen.
Irène Schweizer, geboren 1941, war in den sechziger Jahren eine der ersten Frauen in der freien Improvisationsszene. Sie ließ sich von Musikern wie Thelonious Monk, Cecil Taylor und Dollar Brand/Abdullah Ibrahim wie auch von Neuer Musik inspirieren, blieb aber dabei dem swingenden Gestus des Jazz verbunden. Ihre ersten Soloalben, "Wilde Señoritas" und "Hexensabbat", datieren aus den siebziger Jahren und zählen heute zu den Kultplatten. Nach wie vor setzt die Pianistin vor allem auf die kreative Kraft des freien Improvisierens. Ihr Spiel offenbart dabei ein enormes Differenzierungsvermögen, Wachstum und Reife.
Irène Schweizer

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Mittwoch, 4. November 2015
Günter "Baby" Sommer 'Quartetto Trionfale'
Günter "Baby" Sommer, Schlagzeug
Manfred Schoof, Trompete, Flügelhorn
Gianluigi Trovesi, Altsaxophon, Bassklarinette
Antonio Borghini, Bass
Aufnahme vom 4.7.15 bei Jazzbaltica in Niendorf, Ostsee
Am Mikrofon: Karsten Mützelfeldt

2015 konnte gefeiert werden: 25 Jahre Jazzbaltica! Aus diesem Anlass strickte der künstlerische Leiter Nils Landgren ein Programm, in dem immer wieder Weggefährten von einem Vierteljahrhundert Festivalgeschichte auftauchten. Der betont familiäre Charakter ist nichts Neues - doch diesmal waren auch Teilnehmer der ersten Jazzbaltica 1991 dabei: Schlagzeuger Günter "Baby" Sommer und Trompeter Manfred Schoof. Damals Mitglieder des Jazzbaltica Ensembles (zu dem auch noch der junge Landgren gehörte), traten sie bei der Jubiläumsveranstaltung wieder gemeinsam auf. Der Bassist Antonio Borghini (der anstelle des verhinderten Barre Phillips spielte) ist mit seinen 38 Jahren der Jüngste in der Gruppe, Sommer ist inzwischen 71, ebenso alt der Saxofonist und Klarinettist Gianluigi Trovesi, Manfred Schoof mit 79 der Senior. Bei seinem Nachnamen und einem Spitznamen wie "Baby" permanent mit Wortspielen konfrontiert, ist der Schlagzeuger aber auch selbst ein Meister sprachlichen Witzes und nennt das deutsch-italienische Projekt Quartetto Trionfale, ein "Triumphieren über Modeströmungen". Seine Band bietet eine frische, kurzweilige Musik, durchaus eingängig, bei der aber der Freigeist immer wieder durchblitzt - in Sommers Worten "jazzmusikalisches Partisanentum".
Günter "Baby" Sommer 'Quartetto Trionfale'

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"November Rain" Musik von Wrongkong, PeterLicht und Mazzy Star
Mit Barbara Streidl

Auch ohne den alten Heuler von Guns'n Roses kommen wir mit guter Musik in den November: Neues von bayerischen Bands mit Migrationshintergrund bringen The Migrant Workers und Wrongkong; PeterLicht hat einen Kinder-kompatiblen Song veröffentlicht und Julia Holter singt vom Meer. Dazu gibt es liebgewonnene Songs von Portishead, Massive Attack und Mazzy Star.
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November Rain

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"In der armenischen Diaspora - Fern vom Ararat" Eine Lange Nacht über Erinnerungswelten
Von Ruth Jung und Günter Liehr
"Die jüngere Schwester der jüdischen Erde", "das gelobte Land am Rande der Welt". In solch poetischen Bildern beschreibt der russisch-jüdische Dichter Ossip Mandelstam seine Eindrücke einer Reise durch die Republik Armenien. Es ist der Blick eines verfolgten Dichters auf ein uraltes christliches Kulturvolk, das seinerseits verfolgt und Opfer eines Genozids geworden war.
Mit der Verhaftung von über 200 armenischen Intellektuellen am 24. April 1915 im damaligen Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, setzte eine gezielte und geplante Tötungsmaschinerie ein, der nur wenige entkamen. Auch 100 Jahre danach will die Türkei das Geschehen nicht als Völkermord anerkennen. Eine schwärende Wunde für die in der Diaspora lebenden Armenier: "Es gibt kein Familientreffen, keine Feier, wo dieses Thema nicht zur Sprache käme", sagt Mihran Dabag, Gründer des Instituts für Genozid- und Diasporaforschung in Bochum und selbst armenischer Herkunft, "Armenier teilen ihre Geschichte in vor dem Verbrechen und nach dem Verbrechen".
In einer "Langen Nacht" über armenische Erinnerungswelten kommen Armenier aus Deutschland wie auch aus Frankreich zu Wort, dem Land mit der größten armenischen Diaspora in Europa. Ganz unterschiedliche Lebensläufe, die doch alle eines gemeinsam haben: die über Generationen wachgehaltene Erinnerung an das Schicksal ihres Volkes. Wie es sich anfühlt, in Deutschland auf türkische Nationalisten und Genozid-Leugner zu treffen, darüber sprechen junge deutsche Armenier. Noch immer vermissen sie hierzulande klare Worte zur Mitschuld des Kaiserreichs am Völkermord.
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In der armenischen Diaspora - Fern vom Ararat

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"Arun Ghosh Quintet" Konzertmitschnitt vom 16. September 2015, BLG-Forum, Bremen
Im Rahmen vom Musikfest Bremen trat der britische Musiker mit seinem Quintett im BLG-Forum auf. In seiner Musik vermischt der junge Komponist und Klarinettist, der indische Wurzeln hat, Jazz mit Elementen aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesh und Sri Lanka. Zu hören ist der Mitschnitt vom September 2015.
Indische Wurzeln
Arun Ghosh versteht sich als Jazzmusiker. Seine indische Abstammung ist dabei eine wichtige Komponente seines Schaffens. Als der Klarinettist und Komponist aus London im April 2009 im Rahmen der Bremer jazzahead! seine Deutschland-Premiere bestritt, leitete er eine Gruppe, die er "Indo-Jazz Sextet" getauft hatte. Das Kurzkonzert sorgte in doppelter Hinsicht für Furore: zum einen als kraftvolles Statement einer jungen, selbstbewussten Generation englischer Musiker mit südasiatischen Wurzeln, zum anderen mit einer geradezu überbordenden Intensität.

Den Produzenten und Plattenlabels, die anschließend Schlange standen, gab Ghosh einen Korb. Er legt, so scheint es, großen Wert auf absolute Unabhängigkeit. Als letzte Veröffentlichung erschien ein Konzeptwerk mit dem Titel "South-Asian Suite". Darin bezieht Ghosh gleichermaßen Elemente aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesh und Sri Lanka ein. Dass die Verquickung von Jazz mit indischen Traditionen eine vielfältige Geschichte hat, ist dem jungen Briten mehr als bewusst.

Indo-Jazz Suite
Eine spezifisch englische Facette war in den frühen sechziger Jahren entstanden: die "Indo-Jazz Suite" des Joe Harriott-John Mayer Double Quintet. In dieser Zeit suchten zahlreiche Jazzmusiker (wie so manche Rock- und Klassik-Kollegen) aus Europa und den USA nach Anknüpfungspunkten zu indischer Musik. Jahrzehnte später gelten die Unternehmungen dieser Zeit als Ursprung sogenannter "World Jazz"-Konzepte. Für Arun Ghosh ein Schlagwort ohne große Relevanz: Die Musik des indo-englischen Ausnahmeklarinettisten ist natürlicher Ausdruck seiner Identität und seiner ganz persönlichen Haltung.
Arun Ghosh Quintet

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Richard Galliano "New Musette Quartet" feat. Sylvain Luc (Gitarre)
Die Glocke, Bremen
Aufzeichnung vom 23.04.2015

Richard Galliano "New Musette Quartet":

Richard Galliano, Akkordeon
Sylvain Luc, Gitarre
Yaron Stavi, Bass
André Cecarelli, Schlagzeug

Richard Galliano "New Musette Quartet" feat. Sylvain Luc

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Eisbären, Polarlicht und arktischer Jazz
Eine Lange Nacht über Spitzbergen
Von Harald Brandt
Der 1920 in Paris unterzeichnete Spitzbergen-Vertrag gesteht Norwegen die volle Souveränität über den 62.450 Quadratkilometer großen Archipel im Polarmeer zu. Alle 40 Unterzeichnerstaaten haben allerdings die gleichen Rechte wie Norwegen, was die Ausbeutung von Bodenschätzen und jede andere Nutzung des Landes betrifft. Lange Zeit war der Kohlebergbau der wirtschaftliche Motor. Die staatliche Firma Store Norsk ist auch heute noch der größte Arbeitgeber auf der Insel. Aber Tourismus und Forschung werden immer wichtiger.
Etwa 2000 Menschen aus über 40 Nationen leben in der ehemaligen Minenarbeitersiedlung Longyearbyen, die sich zu einem modernen Gemeinwesen entwickelt hat, in der es eine Schule, eine Schwimmhalle, ein Kino und ein eigenes Konzerthaus gibt. Über ein Viertel der Einwohner sind Studenten aus verschiedenen Ländern, die an der nördlichsten Universität der Welt arktische Wissenschaften studieren. Durch den Rückgang des Packeises in der gesamten Arktis verstärkt sich die Navigation im hohen Norden und auch bei der Suche nach Öl- und Gasvorkommen im Polarmeer entwickelt sich Spitzbergen zu einem wichtigen Standort für arktische Logistik.
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Dienstag, 3. November 2015
"Hank's Shout" Der Tenorsaxofonist Hank Mobley
Vom Kritiker Leonard Feather als der "Mittelgewichts-Champion des Tenors" wegen seines Sounds beschrieben, der nicht so leicht wie der Lester Youngs und nicht so schwer wie der Sonny Rollins’ war, und von manchem als weniger feurig als John Coltrane kritisiert wurde, war Hank Mobley (1930-1986) eine prägende Tenorsaxofonstimme des Hardbop.
Den "lyrischsten Saxofonisten, der in sein Horn sang", haben sie über ihn gesagt und ihn "Daddy des Hardbop-Tenors" genannt. Und wenn er auch nicht so aggressiv wie Coltrane, nicht so cool wie Stan Getz spielte, präsentierte er sich als einfallsreicher, flüssiger Improvisator, der immer swingend mit abgerundetem, warmen Ton spielte. Mobleys Musik war weniger erregend und ekstatisch als vielmehr feinsinnig und melodisch und von subtiler Schönheit. Sein aßergewöhnliches Talent, auch als Komponist und Arrangeur, wurde erst spät erkannt. Dennoch hat Mobley eine Reihe klassischer Schallplatten als Leader und Sideman hinterlassen, die Hans W. Ewert in WDR 3 Jazz präsentiert.
Hank Mobley In Flac

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"Wer jetzt kein Haus hat ..." Musik von KD Lang bis Fitzgerald Kusz
Mit Karl Bruckmaier

Genau, es geht nicht um Immobilien, sondern um den verwehten Sommer: der baut sich keines mehr, setzt der Dichter fort. Im Nachtmix ein paar Erinnerungen an den Musiksommer 2015 mit Eleni Mandell, John Andrews und Dengue Fever, bevor der Herbstwind alles frösteln lässt - da hilft auch keine Unterstützung durch KD Lang oder Fitzgerald Kusz aus Nürnberg, der eines seiner Gedichte vertont hat.
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Wer jetzt kein Haus hat ...

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