radiohörer - der blog für radiofans
Donnerstag, 16. April 2015
"Halb zog sie ihn, halb sank er hin" Die Lange Nacht der Wasserfrauen
Autorin: Carola Wiemers
Regie: Rita Höhne
ie Geschichte der literarischen Wasserfrauen beginnt früh. So beschreibt Homer in der 'Odyssee' bereits den schönen Gesang der Sirenen als Sinnbild weiblicher Lockung zum Tode. Und während Skylla ein furchteinflößendes Wassergeschöpf ist, das die männlichen Gemüter in Angst und Schrecken versetzt, feiert Aphrodite, die Schaumgeborene, als schönste Frau des Meeres eine erstaunliche Karriere. Im Mittelalter bildet sich schließlich der Typus einer doppelt beschwänzten Wasserfrau heraus, der manchmal auch Flügel wachsen. Gervasius von Tilbury, Jean d'Arras und Thüring von Ringoltingen geben diesen Wesen erstmals einen Namen und nennen sie Melusine. Ein Akt der Individualisierung, mit dem Leib und Seele gleichermaßen ins Blickfeld geraten. Seit dem 18. Jahrhundert ist in Legenden und Volksmärchen, Volksbüchern, Geistergeschichten und Kunstmärchen die ambivalente Assoziation des Weiblichen ein von schreibenden Männern heiß umkämpftes Terrain. Friedrich de la Motte-Fouqué kreiert mit seiner 'Undine' eine neue Generation dieser Naturwesen und in Goethes Ballade 'Der Fischer' wird das "feuchte Weib" zur tiefgründigen Phantasmagorie, indem es heißt: "Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;/Da war’s um ihn geschehn;/Halb zog sie ihn, halb sank er hin/Und ward nicht mehr gesehn". Eine 'Lange Nacht' der Spurensuche in so mancher Untiefe von Homer über Hans Christian Andersen bis zu Ingeborg Bachmann.
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Halb zog sie ihn, halb sank er hin

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freejazzblog on air (5): Uwaga! Die junge polnische Szene
Julia Neupert im Gespräch mit Martin Schray
Jazz hatte im ehemaligen Ostblock eine kulturpolitische sicher bedeutendere Rolle als im Westen, denn vor allem für Jugendliche wurde er als Merkmal der Rebellion wahrgenommen, auch in Polen. In der post-stalinistischen Periode spielte hier vor allem der zu früh verstorbene Krzysztof Komeda eine wichtige Rolle, später wurden Tomasz Stanko und Zbigniew Seifert zu prominenten Namen. In den letzten Jahren hat sich der polnische Jazz enorm entwickelt, man kann geradezu von einer Renaissance sprechen. Es gibt eine lebhafte Szene in Warschau und Krakau; mehrere Labels (wie zum Beispiel NotTwo oder ForTune) genießen auch international einen hervorragenden Ruf. Freejazzblogger Martin Schray stellt deshalb heute interessante neue Musiker der polnischen Free Jazz-Szene vor.
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Uwaga! Die junge polnische Szene

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"Kontinuität – Reife – Größe" Der Saxofonist Emil Mangelsdorff
mit Bert Noglik
Emil Mangelsdorff, geboren am 11. April 1925 in Frankfurt am Main, war Wegbereiter und ist heute Nestor der deutschen Jazzszene. Er zeichnet sich durch zu einen unverwechselbaren Ton voller Wärme und erzählendes Spiel auf dem Altsaxofon aus. Dabei bedeutete Jazz für ihn, der bereits in der Nazizeit anfing, diese Musik zu spielen, immer auch eine freiheitlich gesinnte Geisteshaltung.
In den 1950er Jahren trug Emil Mangelsdorff wesentlich dazu bei, dass sich Frankfurt als Jazzzentrum profilieren konnte. Er spielte mit Joe Klimm, Jutta Hipp, Joki Freund, auch mit seinem jüngeren Bruder, dem Posaunisten Albert Mangelsdorff, sowie kontinuierlich mit eigenen Formationen. Souverän bewegte er sich vom Dixieland über Swing, Cool und Bebop bis hin zu einer zeitlos modernen, gleichwohl in der Tradition fundierten und aktuell ausgestalteten Spielweise.
Emil Mangelsdorff

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"Präzision und Individualität" Barry Guys New Orchestra (!!!)
Von Thomas Loewner
Der 1947 in London geborene Barry Guy scheint dem Begriff des musikalischen Grenzgängers zu ganz neuer Bedeutung zu verhelfen. Als wäre es das Natürlichste der Welt, bewegt sich der Kontrabassist seit mehr als vierzig Jahren zwischen Jazz, freier Improvisation, Alter und Neuer Musik. Guys besonderes Interesse gilt seit langem der Arbeit mit Großformationen. 1970 gründete er das 21 Mann starke London Jazz Composers Orchestra (LJCO). Der Name gibt bereits Auskunft über Guys Ziele mit dieser Formation: ein Gleichgewicht herzustellen zwischen durchkomponierten Passagen und möglichst optimalen Bedingungen für die freie Entfaltung der Musiker. Nach dem Ende dieses Ensembles entstand 30 Jahre später das New Orchestra. Es ist quasi ein verschlanktes LJCO, dem aktuell 12 Musiker angehören. Guy, der für das Ensemble nicht nur komponiert, sondern es auch leitet und gleichzeitig als Bassist mitwirkt, hat es damit leichter, alle Fäden in der Hand zu halten und seinem Ideal näherzukommen: einer Balance zwischen Präzision und Individualität.
Barry Guy: Part V/CD:Inscape Tableaux
Barry Guy: Part II/CD: Inscape Tableaux
Barry Guy: Part IV /CD: Inscape Tableaux
Barry Guy New Orchestra

Barry Guy: Void (For Doris) /CD: Ithaka
Barry Guy: Part II /CD: Oort-Entropy
Barry Guy: Amphi/CD: Radio Rondo
Barry Guy New Orchestra
Präzision und Individualität In Flac

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"Marion Brown Quartet feat. Ed Kröger" Konzertmitschnitt vom 24. April 1969, Lila Eule, Bremen
Brown studierte Saxofon, Klarinette und Oboe am Clark College in Atlanta und später Rechtswissenschaft an der Howard University. In New York kam er mit der Free Jazz-Szene in Kontakt und ging dann später nach Paris. 1969 kam er auf Einladung von Ed Kröger nach Bremen. Wir senden einen Ausschnitt aus dem Konzert vom 24. April.
Der US-amerikanische Saxofonist Marion Brown hatte sich in den sechziger Jahren zu einer der auffälligsten Persönlichkeiten der New Yorker Jazz-Avantgarde entwickelt. Er stand unter anderem im Aufgebot der legendären "Ascension"-Session von John Coltrane und spielte an der Seite von Archie Shepp.
Ende der Sechziger lebte Brown einige Jahre in Paris. In dieser Zeit knüpfte er Verbindungen zur deutschen Jazzszene. Dazu gehörten Vibraphonist und Bandleader Gunter Hampel sowie der in Bremen beheimatete Posaunist Ed Kröger. Auf dessen Einladung kam der US-Amerikaner im April 1969 in die Hansestadt. In der Lila Eule, seinerzeit ein angesagter Jazzclub, spielten er und Drummer Steve McCall im Quartett mit Kröger und dem Bremer Kontrabassisten Sigi Busch.
Marion Brown Quartet feat. Ed Kröger

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Mittwoch, 15. April 2015
"Lady Day" Das Leben der Billie Holiday
Von Grace Yoon und Alfred Koch
Produktion: DLF/NDR/ORF/RBB 2007
Billie Holiday ist die Stimme des Jazz und vielleicht auch die Stimme des 20. Jahrhunderts. Ihr Leben war so intensiv wie ihre Musik, eine außergewöhnlich talentierte Frau, die ein Leben auf dem Drahtseil führte, stets vom Unrecht der Rassentrennung, von falschen Freunden und den Auswirkungen ihrer Drogensucht bedroht. 1939 sang sie erstmals den Song 'Strange Fruit', ein Aufschrei gegen die Lynchjustiz an Schwarzen. In dem Film 'New Orleans' (1946) durfte sie nur die Rolle spielen, die Hollywood damals für Schwarze vorsah: das Dienstmädchen. Billie Holiday starb mit nur 44 Jahren. Ihre Autobiografie wurde in viele Sprachen übersetzt, Diana Ross spielte Lady Day in dem Film "Lady sings the Blues" und immer wieder tauchen Samples ihres Gesangs in modernen Re-Mixes, Techno- und Rap-Produktionen auf.
Lady Day

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"Young, gifted and black" Billie Holiday
Von Anette Selg
Jung, begabt und schwarz - und dann noch eine Frau. Das Leben der berühmten Jazz-Sängerin Billie Holiday (1915 - 1959) war eine Katastrophe. Doch lässt es sich nicht trennen von dem Land und von der Gesellschaft, in der sie gelebt hat. Vom allgegenwärtigen Rassismus in einem Amerika vor Martin Luther King jr. und der Bürgerrechtsbewegung. All das überlebt hat Billie Holidays Kunst: ihre Lieder über die Liebe und den Schmerz. Ihr politisches Vermächtnis "Strange Fruits". Ihre Jazz-Interpretationen mit den besten Musikern der Zeit, in denen sie bis heute an unser Innerstes rührt.
Zum 100. Geburtstag von Billie Holiday am 7. April 2015 erinnert Anette Selg an die Sängerin und ihre Musik.
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Young, gifted and black

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My Favorite Discs: Billie Holiday Variationen
Von Harry Lachner
Ihre Geburtsurkunde vom April 1915 wies sie als Elinore Harris aus. Als Eleanora Fagan lebte sie bis zum Beginn ihrer Karriere; als Billie Holiday wurde sie zur bedeutendsten Sängerin des Jazz, vom Saxofonisten Lester Young respektvoll-zärtlich "Lady Day" genannt. Obwohl - oder gerade weil - sie nur über einen begrenzten Stimmumfang verfügte, perfektionierte sie eine ungeheure Nuanciertheit in ihrem Gesang. Ihre Musik war immer eine intime, die ohne die großen Gesten auskam. Holiday lenkte dafür den Blick auf die unendlichen Schattierungen des melancholischen Gefühls. Die Sendung versammelt eine Reihe von Widmungen und Coverversionen, sowie Annäherungen von Sängerinnen jüngerer Generation. Ein Versuch, das - in absichtsvoller Vagheit - einzukreisen, was die Essenz von Holidays singulärer Kunst ausmachte.
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Billie Holiday Variationen

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"A Stranger In Town" Der afroamerikanische Tenorsaxofonist und Bandleader Gene Ammons
"Ich finde, man muss den ganzen Sound des Instruments nützen, sonst spielt man es nicht wirklich". Gene Ammons’ Bewunderern reichte ein einziger Ton, um seinen Sound zu erkennen. Ein harter Ton, wie er in der "Windy City" Chicago an den Wochenend-Konzerten am Lake Michigan von Nöten war, weniger, um den Wind zu übertönen, der vom Lake Michigan durch die Stadt fegte, als viel mehr, um den Ruf Chicagos als Jazzstadt gegen New York zu behaupten.
Tenorist Gene Ammons, Sohn des berühmten Boogie Woogie-Pioniers Albert Ammons, hat diesen "harten" Ton zusammen mit Dexter Gordon unter dem Einfluss der Direktheit der Spielweise Lester Youngs und des machtvoll-sonoren Spiels Coleman Hawkins' populär gemacht. Ammons war ein viel versprechendes Talent, als er der Band Billy Eckstine's angehörte, löste das Versprechen später auch häufig ein, enttäuschte jedoch auch immer wieder in seiner musikalischen Laufbahn. 25 Jahre war er eine populäre Gestalt im Jazz und R&B, trotz zweier Unterbrechungen seiner Karriere, die er im Gefängnis verbringen musste. Aufnahmen aus den 1950er und 60er Jahren mit dem viel bewunderten robusten Ton präsentiert Hans W. Ewert in WDR 3 Jazz.
Gene Ammons

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Silke Eberhard Potsa Lotsa plus plays ‘Love Suite’ by Eric Dolphy
Jazzfest Berlin 2014, Akademie der Künste / Hanseatenweg, November 2014
Silke Eberhard, alto sax, bass clarinet
Jürgen Kupke, clarinet
Patrick Braun, tenor sax, clarinet
Nikolaus Neuser, trumpet
Gerhard Gschlößl, trombone
Marc Unternährer, tuba
Antonis Anissegos, live-electronics
Silke Eberhard Potsa Lotsa plus plays ‘Love Suite’ In Flac
Eric Dolphy, der großartige Erneuerer des Jazz, ist mehrfach Thema bei diesem Jazzfest. Silke Eberhard arbeitet mit einem eigenen Trio, spielte gemeinsam mit der Pianistin Aki Takase die „Ornette Coleman Anthology“ ein und warf mit ihrem Quartett Potsa Lotsa einen frischen Blick auf das Gesamtwerk von Eric Dolphy. Mit Forscherdrang stieß sie auf eine Komposition, die Eric Dolphy unvollendet hinterließ und wahrscheinlich für seine geplante Hochzeit, vielleicht auch als Hymnus auf die Liebe konzipiert hatte: die „Love Suite“. Für Silke Eberhard wird dieses Werk improvisatorisch und kompositorisch zur Herausforderung. Mit der erweiterten Besetzung Potsa Lotsa plus wagt sie eine Komplettierung.

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