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Dienstag, 7. April 2015
"Feeling Blue" Ode an eine widersprüchliche Farbe
Von Burkhard Reinartz
Regie: der Autor Produktion: DLF 2015 Blau - kaum eine andere Farbe ruft so viele Assoziationen hervor. Blau beflügelte die Fantasie von Künstlern und Dichtern. Von Picassos blauer Periode bis zum magischen Blau eines Yves Klein und den Gedichten Ingeborg Bachmanns. Blue Jeans verkörpern seit den 50er-Jahren das Lässigkeitsgefühl diverser Generationen und hinterlassen als Nebenwirkung den indigoblauen Giftstrom der weltumspannenden Färberindustrie. Wer in einer einsamen Samstagnacht die Schwermut des 'feeling blue' gekostet hat und vom hochprozentigen Tröster blau geworden ist, kann am Montag einfach blau machen. Die Farbe hat eine widersprüchliche Wirkung: Sie ist erschreckend und schön zugleich. Als einzige Farbe hat sie sogar einen eigenen Musikstil geprägt: den Blues. Feeling Blue "Lieber John, lieber Pierre".
Der illustrierte Briefwechsel zwischen Pierre Boulez und John Cage. Mitte 1949 läutet es an der Wohnungstür von Pierre Boulez in Paris und John Cage stellt sich vor. John Cage war für einen halbjährigen Studienaufenthalt nach Europa gekommen. Der 36-Jährige folgt einem Rat des amerikanischen Komponisten Virgil Thomson - so heißt es - und besucht den 24-jährigen Pierre Boulez.
Es folgen Monate des musikalischen Austausches in Paris, des gemeinsamen gesellschaftlichen Umgangs, die Entwicklung einer offenbar intensiven Freundschaft. Ende des Jahres verlässt Cage Paris wieder Richtung New York und es sollte drei Jahre dauern, bis Pierre Boulez dann endlich in die USA und das hieß natürlich auch auf Besuch zu John Cage kommt. Aus diesen drei Jahren stammt der Großteil des erhaltenen und veröffentlichten Briefwechsels zwischen diesen beiden Komponisten. Zwei Seelenverwandte hatten sich gefunden: Lange, ausführliche und mit Tabellen und Notenskalen gefüllte Analysen eigener Werke wechseln sich ab mit verspielten Anmerkungen über gemeinsame Bekannte und kurzen heftigen Bezeugungen, wie sehr man einander brauche. Lieber John, lieber Pierre Mit Tex Rubinowitz und Renato Utz als John Cage und Pierre Boulez Mit Musik von Pierre Boulez, John Cage, Karlheinz Stockhausen, Morton Feldman sowie Duke Ellington mit Frank Sinatra "Die Frau am Meer" Eine Lange Nacht über die Malerin Clara Arnheim
Von Gabriela Jaskulla
Sie malte nur Wind und Wogen – die Malerin, die es Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder sommers auf die Insel Hiddensee zog, war trotzdem revolutionär: Clara Arnheim, 1867 in Berlin geboren, bestand darauf, Berufsmalerin zu sein, und weil man Frauen im Kaiserreich die Ausbildung verweigerte, zog sie eben nach Paris. Zurückgekehrt richtete sie zusammen mit der Malerkollegin Henni Lehmann auf der Ostseeinsel eine Malschule und einen Ausstellungsraum ein: "Die Blaue Scheune" war der künstlerische Mittelpunkt für acht Berliner Malerinnen mit Neigungen zur Sommerfrische. So heiter, so unpolitisch und so schön die Bilder der Künstlerinnen auch schienen – ihr Engagement reichte, um kräftig anzuecken: Der "Dichterfürst" Gerhard Hauptmann ignorierte die "Malweiber", und als 1933 die Nazis auch auf Hiddensee die Macht übernahmen, verloren die jüdischen Malerinnen rasch die Existenzgrundlage. Clara Arnheim, die ausgerechnet in Berlin unterzutauchen versuchte, überlebte einige Jahre nur durch die Zuwendungen einer Hiddenseer Bäckersfamilie. Am Ende wurde sie trotzdem ein Opfer der Nazis: 1942 wurde Clara Arnheim nach Theresienstadt deportiert, wo sie sechs Wochen später starb. weiter lesen ... Die Frau am Meer Die Lange Nacht folgt in Gesprächen mit der Restauratorin Eleonore Lang vom Landesmuseum in Braunschweig, mit Fachleuten und den Nachfahren der einst helfenden Bäckersfamilie auf Hiddensee den Spuren eines ungewöhnlichen Künstlerinnenlebens. Mittwoch, 1. April 2015
"Kreative Konzept-Künstler" Neues aus New York City
Mit Matthias Röckl
Noch immer gilt New York als Anlaufstelle für Musiker, die hier in toleranter Atmosphäre ihre kreativen Pläne verwirklichen und manchmal damit berühmt werden können. Dazu gehören die außergewöhnlichen Alabama Shakes, die bald ein neues Album veröffentlichen, aber auch Songwriter wie James McMurtry, Brian Dolphin, Sufjan Stevens und Dan Deacon, die zunächst mal durch spektakuläre Live-Auftritte im Big Apple auf sich aufmerksam machen. Aber auch das Konzept Duo taucht hier auf, vertreten durch Marian Hill und die legendären Bows. Kreative Konzept-Künstler "Die unablässige Suche nach der Musik" Ein Porträt des Saxophonisten Sebastian Gille
Von Anja Buchmann
Sein Saxophon-Sound ist unverwechselbar: Sebastian Gille spielt mit viel Luft, sein Ton ist gerade in hohen Lagen sehr zart und sanglich - und trägt dennoch stets ein unterschwelliges Schreien in sich. Zuweilen greift der 32-jährige Wahl-Hamburger auch zum Sopran-Saxofon oder zur Alt-Klarinette und erforscht damit Wege zu neuen Klangformen zwischen Vertrautheit und Abstraktion. Seinen ganz persönlichen Ausdruck hat Gille in den letzten Jahren gefunden - vor allem in seinem Quartett, zu dem drei der versiertesten Jazzmusiker Deutschlands zählen, die als Trio verdientermaßen zu höchsten Ehren gelangt sind: Pablo Held (Piano), Robert Landfermann (Kontrabass) und Jonas Burgwinkel (Schlagzeug). Mit den Kollegen aus Köln verbindet Sebastian Gille eine tiefe musikalische Seelenverwandschaft. Unter der Regie des Saxophonisten begeben sich die Quartettmitglieder immer wieder auf die Suche nach der Musik, drängen sich nicht in den Vordergrund, sondern spielen flexibel, zuweilen frei - und sind immer offen für die Perspektiven des Augenblicks. Die unablässige Suche nach der Musik Freitag, 27. März 2015
"Rodrigo y Gabriela" Konzertmitschnitt vom 23. Mai 2005, Sendesaal, Bremen
Das mexikanische Gitarrenduo wurde von Damien Rice entdeckt und begleitete seine Tour als Vorband. 2005 kamen die beiden Musiker auf Einladung von "Sparkasse in concert" nach Bremen und begeisterten das Publikum im Sendesaal von Radio Bremen. Wir senden einen Ausschnitt aus dem Konzert vom 23. Mai.
Kennengelernt hatten sich Rodrigo Sánchez und Gabriela Quintero in einer Metal-Band in Mexico-City. Als der große Erfolg ausblieb, packten sie zwei akustische Gitarren ein und reisten nach Europa. Nachdem sie in Irland gestrandet waren, versuchten sie sich als Straßenmusiker. Die Resonanz war enorm. Bald wurden sie in Clubs eingeladen, wo ihre Akustik-Versionen von Metal-Songs, gewürzt mit einem kräftigen Schuss Latin- und Flamenco-Gefühl, mehr und mehr Publikum anlockten. Heute füllt das mexikanische Paar mittelgroße Hallen. Seit 2001 entstand eine Reihe eigener Alben. Außerdem steuerten Rodrigo y Gabriela Musik zum Soundtrack des Hollywood-Blockbusters "Pirates Of the Caribbean – Fremde Gezeiten" bei. Rodrigo y Gabriela Islands dynamische Musikszene
Von Marlene Küster
Island - wilde, ungezähmte Landschaften aus Eis, Dunkelheit, Wind und Schönheit. Die isländische Musik erzählt von der Rauheit der Natur. Neben Björk hat sich Sigur Rós als feste Größe international etabliert. Reykjavik hat eine äußerst dynamische Musikszene. Über 200 Musiker sind dort wie in einer großen Familie aktiv. Es kommt vor, dass ein Musiker an einem Tag im Theater spielt, dann in einer Punk-Formation auftritt und am nächsten Tag zu klassischen oder elektronischen Klängen wechselt. Da gibt es etwa den Posaunisten Samúel Jón Samúelsson, der sich mit seiner 18-köpfigen Band auf dem aktuellen Album "4 Hliðar" dem Afrobeat widmet. Jenseits des Polarkreises kreieren Musiker die unterschiedlichsten Sounds: elektronische Rhythmen, melancholisch-ruhige Melodien inspiriert von isländischer Volksmusik, sanfte Folk-Arrangements und vielstimmigen Gesang. Islands dynamische Musikszene Das Selbstverständnis der Polizei - eine kritische Betrachtung
Von Maximilian Cress und Florian Schairer
Die Polizei gilt als eine der beliebtesten Berufsgruppen in Deutschland. Gleichzeitig beklagt sie eine Zunahme der Gewalt gegenüber Polizeibeamten. Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte findet auch im alltäglichen polizeilichen Dienst immer häufiger statt. Respektlosigkeit und das immer häufiger auftretende reflexhafte Infragestellen polizeilichen Handelns durch manche Bürgerinnen und Bürger werden von der Gewerkschaft der Polizei mit Sorge festgestellt. Umgekehrt weisen Nichtregierungs-Organisationen wie zum Beispiel amnesty international darauf hin, dass die Gewalt von Polizeibeamten gegenüber Bürgern zunimmt. Und die Aufarbeitung von Polizeigewalt scheint auch nicht immer vorbildlich zu funktionieren. "Zunächst mal muss man sagen, dass wenn es zu Vorwürfen von unrechtmäßiger Polizeigewalt kommt, stößt man bei den Polizeibehörden an sich, also bei der internen Aufarbeitung der Polizei erstmal eher auf eine Mauer des Schweigens als auf eine transparente und effektive Verfolgung und Ermittlung. Bis vor einiger Zeit war es sogar noch so, dass die Polizeidienststellen zuständig waren, in dessen Bezirk der jeweilige Polizeibeamte seinen Dienst tat", so der Rechtsanwalt Marco Noli. Und so ist das in den meisten Bundesländern bis heute. In Bayern ermittelt seit dem Fall Teresa Z. das Landeskriminalamt. Doch auch das LKA ist Teil der Polizei. Der Widerstand gegen eine transparente Ermittlung in diesen Ausnahmefällen verwundert. Als Demokratie, als Bürger haben wir uns dazu entschieden der Polizei das Gewaltmonopol anzuvertrauen. Da müssten wir sie doch auch kontrollieren können. Über das Selbstverständnis der Polizei, ihre Fehlerkultur und ihre Beziehung zu Politik und Gesellschaft haben wir mit Polizisten, Polizeikritikern, Polizeiforschern und der Politik gesprochen. Das Selbstverständnis der Polizei Morrissey - The „World Peace Is None Of Your Business “-Tour 2014
Le Grand Rex, Paris; Aufzeichnung vom 27.10.2014
Als 'Pope of the Mope' (Papst der Trübsal) hat die englische Presse den Sänger Morrissey einst tituliert. Eine Beschreibung, der der Künstler mit sensiblen, manchmal weinerlichen und oft melodramatischen oder beißend sarkastischen Songtexten stets entsprochen hat. Ein viel bewunderter Außenseiter, der in den frühen 80er-Jahren die Rockband The Smiths gründete und mit ihr Kultstatus erreichte. Nach deren Auflösung begann Morrissey eine Solokarriere, die vor allem anfangs einen holprigen Verlauf nahm, weil sich der sensible und hyperkritische Künstler mit der englischen Musikpresse anlegte und seine Soloplatten jahrelang verrissen wurden. Auch wenn sich die Wogen nie vollkommen geglättet haben, hat der Musiker, nicht zuletzt bei seinen eingeschworenen Fans, seinen Ruf als exaltierter und gleichzeitig hochverehrter Kultstar behalten. Im Oktober 2014 trat Morrissey mit seiner Band im Rahmen einer ausverkauften Europatournee auch im Le Grand Rex in Paris auf, wo er, neben einigen wenigen Smiths-Songs, einen Querschnitt durch seine Soloplatten präsentierte. Morrissey - The „World Peace Is None Of Your Business “-Tour 2014 "Der letzte Mensch" Wie wir überleben, wenn wir überleben
Von Thomas Palzer
"Die globale Welt ist heute so beschaffen, dass es irgendwann einen großen Knall geben wird", sagt der Philosoph Slavoj Žižek. "Aber erst wenn wir das als unausweichliches Schicksal akzeptieren, können wir auch wirklich etwas dagegen tun." Und wir tun etwas. Wir kümmern uns ums Überleben. In Gedanken sind wir alle längst dabei, das Ende der Zivilisation zu imaginieren und uns darauf mental vorzubereiten. Und wer etwa eine Großstadt besucht, der kann den Eindruck gewinnen, dass immer mehr Menschen den Ernstfall auch wirklich proben. Studios wie CrossFit werben damit, das härteste Workout der Welt anzubieten. Hier werden ganz gewöhnliche Stadtbewohner zu Gladiatoren, Elitesoldaten und Überlebenskämpfern ausgebildet - und auf größte physische Herausforderungen und Notfälle vorbereitet. In den USA nennt man diesen Trend Sufferfest - Leidensfest.Angesichts der zahllosen Krisen, die die Gegenwart erschüttern - neue Seuchen, Flüchtlingskrisen, Syrien, Ukraine, der IS, der neue autoritäre Kapitalismus, aber auch die üblichen Verdächtigen wie Versorgungskrisen, Überbevölkerung usw. - scheint die Angst vor dem "Einbruch des Realen" (Slavoj Žižek) zu wachsen. Wir fühlen uns vom kommenden Klimakrieg bedroht, von sich anbahnenden ökonomischen, ökologischen und politischen Krisen, von der drohenden Verdunkelung der Erde; von neuen Seuchen, vom Zusammenbruch der "Systeme" und von der übersteigerten Selbstermächtigung des Menschen. Wir lieben es, die Zukunft als Desaster zu denken. Das Feature will die Geschichte der Gegenwart schon mal probeweise zu Ende erzählen und befragt dazu Menschen, die sich auf den Ernstfall vorbereiten. Welche Art Zukunft liegt eigentlich vor uns - und: Können wir diese überleben? Was täten wir, wenn der Supermarkt an der Ecke nach Panikkäufen leergeräumt wäre? Und: Sind unsere sozialen Beziehungen belastbar - in einer möglichen Krise? Der letzte Mensch ... Ältere Stories
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